chaos DE LUXE: Für Lili

chaos DE LUXE: Glück
Vom Finden einer Freundin, die man nie kennen lernen durfte.

Das ist eine Kolumne für Lili Grün. Ich kenne Lili nicht. Aber ich vermisse sie. Seitdem mir ihr nach 78 Jahren wieder aufgelegter Roman "Alles ist Jazz" in die Hände gefallen ist, ist sie mir zu einer Freundin geworden. Das Buch spielt im Berlin der 1930er-Jahre. Lilis "alter ego" heißt Elli; sie trägt einen fetzigen Pagenkopf, will zu viel und hat zu wenig. Die Kluft zwischen ihrer Realität und ihren Sehnsüchten hält sie unter Dauerstrom. Im Kabarett schmettert sie vor zwölf Gästen: Ich möchte ein Luder sein/und ordinär sein/ Sag Liebling wärst du mir dann endlich treu? Dabei verbirgt sich hinter der großen Klappe eine bodenlose Romantikerin. Nicht nur für die Kunst wirft Elli ihr Herz über Bord – auch den Herren reicht sie es zur freien Entnahme. Irgendwann wird er schon kommen, der "Rechte". Da zerschellt ihre Freundin Hedwig Ellis Illusionen: "Es gibt bloß Unrechte! Der Rechte ist immer der, auf den man wartet, den man sich ausmalt! Wenn einmal einer daher kommt, ist er schon gewöhnlich." Danke, Lili! Diese Erkenntnis bringt mich weiter, als alle Ratgeber aus der Selbsthilfe-Hölle im Buchladen. 2012 wird weniger ausgemalt und mehr der Realität zugezwinkert. Sie hatte große, aufmüpfige Augen und einen lebensgierigen Mund. Nach ihrem Debut galt sie in Wien 1933 als literarische Hoffnung. Sie war zu lungenkrank, um zu flüchten. Am 27. Mai 1942 wurde Lili, Tochter eines Schnurrbartbinden-Fabrikanten, aus dem Massenquartier in der Neutorgasse abgeholt und mit 981 anderen Juden ins weißrussische KZ Maly Trostinec deportiert, wo sie noch am Tag ihrer Ankunft, dem 1. Juni ermordet wurde. Sie war 38. Keine Angst, keine Angst vor dem Leben haben, klopft das Herz, heißt einer ihrer Sätze im Buch. Heute werde ich eine Kerze für meine neue Freundin Lili Grün ins Fenster stellen.

www.pollyadler.atpolly.adler(at)kurier.at

"VENUS IM KOMA" - DER ERSTE POLLY ADLER-ROMAN

chaos DE LUXE: Für Lili

Polly läuft - und zwar aus dem Ruder. Trotz Basislager bei der Paartherapeutin will sich ihr Mann Max plötzlich unerhörterweise selbst verwirklichen - und zwar so ganz ohne Polly. Die Tochter Resi pubertiert bis zum Anschlag und behandelt ihre Mutter wie eine lästige Stalkerin. Und als Reporterin an der Society- Front beißt sich Polly an einer durchgeknallten Aristo-Mischpoche die Zähne aus. Ja, und irgendwo gibt es noch einen Pleite-Bankier, der Polly entführt, um irgendwie zu überleben. In jedem Fall ist Pollys Leben sauanstrengend. »Deine Venus ist im Koma!«, kann da ihre astrologieverseuchte Freundin Gerti nur immer wieder feststellen. Jetzt wird Österreichs Kultkolumnistin Polly Adler endlich zur Romanheldin, in deren Stöckelschuhen man keinesfalls stecken möchte. Eine erzählerische Tour de force, in der die Society-Pappnasen der Republik bis zur Kenntlichkeit entstellt werden.

 

Seit Ende Oktober im Handel.

Kommentare