chaos DE LUXE: Befindlichkeits-Flächenbrände

chaos DE LUXE: Glück
Polly nimmt knallharte Chuzpe-Lektionen.

Im Zuge eines Artikels befragte ich eine angesehene Psychiaterin über die größten seelischen Defizite der Gesellschaft. "Die Leut’", sagte sie, "nehmen sich alle viel zu wichtig und sind genau deswegen viel leichter zu kränken und zu verletzen." Der pathologische Terminus für diesen Befindlichkeitsflächenbrand ist narzisstische Störung.

Aber wie soll man denn nicht gekränkt sein, wenn man sein ganzes Leben zehn Kilo zu viel und zehntausend Euro zu wenig hat? Und die wenigen Verhältnisse, die einem vergönnt sind, von so einem erbärmlichen Hollywood-Faktor sind? Außerdem: Wie soll man es überhaupt auch nur irgendwie verkraften, dass man von Affen abstammt und irgendwann genauso im Nichts verpuffen wird wie ein Lercherl-Schas? Da helfen nur Selbstironie, Verdrängung und Alkohol. Und natürlich Chuzpe, als Vorbild möge da mein Freund K dienen. "Miststück, eiskaltes!" knurrte er, nachdem er von seiner Freundin wegen eines anderen verlassen worden war.

Ihr Exodus fand übrigens nach seinem monatelangem Doppelspiel statt. K hatte nämlich mit seiner Chiropraktikerin intensiv g’spusiert. "Hast du dir das nicht ein bisschen verdient?", piepste ich. "Hast du einen Teller Irre verspeist?", konterte er, "wie kann diese Frau mir und vor allem sich das nur antun?" – "Nimmst du dich nicht vielleicht ein bisschen zu wichtig?" Jetzt kam eine nicht von der Hand zu weisende Gegenfrage: "Möglich. Aber wenn ich’s nicht tue, wer macht es denn dann?"

In meinem Buch jüdischer Witze fand ich später die beste Definition für Chuzpe: "Chuzpe ist, wenn ein Elternmörder vor Gericht für mildernde Umstände plädiert, weil er Vollwaise ist." Da wusste ich: Schnell in den nächsten Chuzpe-Laden, bevor das Zeug gut, aber aus ist.

 

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