"Aufgebügeltes Protestg'wand und Essstreiks"
Aufgebügeltes Protestg'wand und Essstreiks
„Bügel dir dein Protestg’wand auf, wir machen einen Essstreik vor der SVA“, sagte mein Freund F und war dabei zornbleich um die Nase. – „Bombenidee! Das wird die diensthabenden Beamten mit Sicherheit mit warmen Solidaritätswellen überfluten, wenn wir dort Stullen mampfend im groben Tuch im Foyer hocken.“ – „Für Hungergestreike habe ich einfach keinen Cent mehr auf meinem emotionalen Nervenkonto. Wenn das so weiter geht mit der Steuer, der Sozialversicherung, den ständigen absurden Erhöhungen der Grundausgaben, kann ich bald Privatkonkurs anmelden.“ Ich seufzte. Denn mir ging es ähnlich. Und meinen Kumpels ebenso. Die fetten Jahre waren definitiv vorbei. Nur: Wohin sollte die Reise gehen? Wäre eine Cupcake-Kampfausbildung eine Option? Oder soll ich eine Terrinen-Werkstatt in Bobohausen eröffnen und nach der Arbeit in der Schreibstube dort die Leber von glücklichen Enten mit Wacholderbeerchen in irdenen Formen ansetzen? In jedem Fall gehören die Lebenskosten runtergefahren. Aber wo soll man hier ansetzen? Ich will keinen Industriekäse essen. Keine Schankperlen trinken. Keine Campingurlaube erleben müssen. Und auch kein Polyester an meinen Körper lassen. Muss ich demnächst in einer WG mit lauter mürrischen Mitbürgern leben? Oder in eine Briefkasten-Firma auswandern? Auch dafür bin ich zu alt. Das Kind hat leider jede Menge Oligarchenprinzessinnen als Freundinnen und ist deswegen von meinen ökonomischen Warnschreien vor allem gelangweilt. Im besten Fall. Aber eigentlich ist sie narzisstisch gekränkt, dass wir kein Maultier mit künstlichem Dukatenausgang in unserer Wohnung geparkt haben. Ich Vollversagerin, ich elende! Aber vielleicht hat ja mein neuer Studenten-Lifestyle einen totalen Verjüngungsschub zur Folge. Nur: Das ist wiederum dem Kind sowas von wurscht.
polly.adler@kurier.at
Kommentare