Es gibt doch keine befriedigendere Sportart, als über seinen eigenen Schatten zu springen.

von Polly Adler

über Mutproben und eine Edwardianische Fieberfantasie

Die Mutprobe war bestanden: In einem VW-Golf, der noch vor dem Ende der Apartheid in Produktion gegangen sein musste, war die miserabelste Autofahrerin der westlichen Kapregion, die noch dazu den Orientierungssinn einer Tripel-Blondine und eine kleine Höhenpanikproblematik besaß, über eine Pass-Straße im Linksverkehr in dem Walfahrtsort Hermanus angekommen. In Angstschweiß gebadet, aber glücklich. Es gibt doch keine befriedigendere Sportart, als über seinen eigenen Schatten zu springen. Südafrika gehörte mir – zumindest drei Herzschläge lang. Ich bezog das „Ocean Eleven“, ein Guesthouse direkt an den schroffen Klippen, unter denen der Atlantik tobte; das Hotel wirkte wie eine Fieberfantasie aus „Out of Africa“ – nur nirgends ein Denys Finch Hatton in Sicht, der einem ganz dringend die Haare waschen wollte. Und auch keine Wale, deretwegen dieser Ort zu einem Mekka für „Universum“-Freaks geworden war. Man konnte sich bei keiner Wal-Behörde beschweren, schließlich war die Paarungs- und Gebärsaison mit Ende November zu Ende. In dem Moment, als ich beschloss, mit dem Angebot an Aussicht und edwardianischem Flair zufrieden zu sein, regte sich im Wasser etwas. Eine V-förmige Fontäne stieg hoch auf, dann erhob sich eine schwarze Schwanzflosse über der Oberfläche und 80 Tonnen geballte archaische Urgewalt schossen in die Höhe, um sich in der Luft zu drehen. Ein paar Sekunden später übte sich der Wal-Fortpflanz im gleichen Showact. Ich war perplex. Und dachte mir, dass ich dieses Erlebnis als Gleichnis für mein zukünftiges Leben adoptieren werde. In dem Moment, in dem man nicht klammert, sich keinen Kopf und frei macht, springen die Wale/Kinder/Herren/Projekte höher, als man je zu hoffen gewagt hat. Beschämend einfach. Klingt ein bisschen nach Esoterik für Kleinkinder, ich weiß. Macht aber nichts.

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