Alles Testosteron-gesteuerte Unholde?
Menschsein ist keine Frage des Geschlechts.
Ich frage mich, wie es den Männern eigentlich geht. Den Männern, die in dieser Herrenwitz-Debatte unisono als eben von der Liane geplumpste, Testosteron-gesteuerte Unholde dargestellt werden, die sich wie King Kong greifen, was ihnen nicht zusteht. Ich kenne solche Männer nämlich nicht. Ich kenne jede Menge eitle Ich-Süchtler, deren Ego eine eigene kleine Postleitzahl braucht. Ich kenne Post-Midlife-Krisenten, die sich halb so alte Damen krallen, um sich und der Welt zu beweisen, dass sie noch ganze Kerle sind. Und dabei meist ein recht erbarmungswürdiges Bild abgeben.
Ich kenne einen „Tatort“-Kommissar, der seiner Kollegin nach einer misslungenen Verfolgungsjagd zuflüstert: „Ich bin zu alt, zu dick und zu blöd.“ Ich kenne junge Wollmützchenträger, deren Müttern die Väter abhanden gekommen sind und deren Vorstellung von Männlichkeit von vielen Fragezeichen und noch größerer Verunsicherung begleitet ist. Ich kenne junge Familienväter, die keine Weichei-Panik entwickeln, wenn sie sich ihr Kind um den Bauch schnallen und ihrer Karriere für ein paar Monate nur zuwinken. So ganz ohne Versäumnisangst. Ich kenne junge Feministinnen, die sich beklagen, dass ihre Bar-Bekanntschaften Strickjacken tragen, traurige Mädchenmusik hören, einen auf einfühlsamen Freund machen, anstatt zu flirten. Ich kenne Tussen, die eine stereotype, antiquierte Form von Weiblichkeit ohne vorgehaltene Pistole, also ganz freiwillig, bedienen.
Ich kenne Repräsentantinnen der Luder-Liga, die ihre Männer, sobald sie keine Player mehr sind, eiskalt lächelnd entsorgen. Ich kenne gut situierte Damen, die in warme und arme Länder reisen, um sich dort im Männer-Supermarkt einen Liebhaber zu kaufen. Frauen sind nämlich oft auch nur Menschen. Und Menschsein ist generell keine Frage des Geschlechts, sondern des Charakters.
polly.adler@kurier.at
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