Zwinker-Smiley-Desaster
Das Spektrum der Menschenrechtsverletzungen wird eben um eine Facette erweitert: K wartet auf eine SMS-Antwort von einem Herren. Und ich bin ihr dabei ausgesetzt. Ich versuche dennoch Konversation mit der Frau zu machen, die sich wie Kate Winslet in „Titanic“ an die Holzplanke im Eismeer an ihr iPhone klammert. Selbst als ich ihr Bouillon zur Kräftigung löffle, lässt sie das Teil nicht los. Schließlich sind schon vier Stunden 27 Minuten in die Menschheit gezogen, da möchte sie wissen, wann sie punktgenau nicht gleich reagieren soll, um zu demonstrieren, dass man so was wie ein Leben hat, das auch herrenlos durchaus erfüllenden Charakter besitzt. Aber dass dieser Kerl, in dessen Bleibe sie unlängst erfolgreich ihre Abschminkutensilien geschmuggelt hat, ihr schon vier Stunden Minuten 28 auf eine Frage, die durchaus Mut erfordert, wenn nicht emotionalem Exhibitionismus gleichkommt, betont nicht geantwortet hat, kann man durchaus noch auf die Desaster-Liste 2015 setzen. „Vielleicht ist er ja von Militärputschisten in der Innenstadt aufgehalten worden?“, versuche ich zur Contenance zu rufen. Und beschließe als Neujahrs-Vorsatz Numero Uno, dass Würde in allen Lebensbelangen nicht nur ein Konjunktiv sein darf. K trinkt weiter Kette Gin ohne Tonic. Sie wirkt dabei wie ein Rüsseltier in einem Zoo, dem schon lange die Subventionen gestrichen wurden. Dann das erlösende Zauberklingel-Geräusch. Sie springt auf und läuft gleich Messi nach einem matchentscheidenden Türl durch meine Wohnung. Siegesgesten, Freudentränen. Ihre Frage an den Herren hatte übrigens gelautet „Was machst du zu Silvester?“ Die Antwort dazu war: „Weiß noch nicht. Und du?“ Plus Zwinker-Smiley. Vorsatz Nr. 2 für 2016: Hüte dich vor Menschen, deren emotionales Alphabet von Zwinker-Smileys durchsetzt ist.
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