Tramper-Zeiten
Der Pop-Stern, der sich für das Gespräch gleich einmal kommentarlos auf sein Hotelbett legte.
F vibrierte im #metoo-Fieber. „Ist das nicht fantastisch, diese Frauensolidarität“, schwärmte sie, „wenn es sowas schon zu unserer Blütezeit gegeben hätte, man hätte sich so viel ersparen können.“ – Man muss hinzufügen, dass F im Gegensatz zu vielen anderen Frauen nichts Traumatisierendes widerfahren war. Bei Wühlarbeiten in ihrer Übergriffsbiografie fand sich einmal in den späten Neunzigern ein Chef, der ein paar geschmacklos anzügliche Komplimente auf Lager hatte und ein Hoteldirektor im Süden Italiens in ihren Tramper-Zeiten, der ihre Hand in eine Region ziehen wollte, in der er Rabatt in Aussicht stellte. Das war’s. F fühlte sich so schön bedeutsam in der digitalen Opfer-Schickeria. Sie hatte auch voll im Charlie-Hebdo-Fieber vibriert, obwohl die Pressefreiheit sie bis zu diesem Solidaritäts-Tsunami dahin so tangiert hatte wie das Liebesleben von Kolkraben. Egal. Besser inflationär als gar nicht. Mit Sicherheit wird diese Hashtag-Welle die Produktion von Testosteron-Gorillas vom Zuschnitt eines Mister Weinsteins nicht einstellen. Aber es wird sie viel vorsichtiger machen.
Als blutjunge Journalistin hatte man ja einige solcher Erlebnisse eingefahren: Der Großmime, der einen wutentbrannt in seine Wohnung kommandierte, weil er sonst das Interview nicht freizugeben gedenke, und dann im Bademantel öffnete usw, der Pop-Stern, der sich für das Gespräch gleich einmal kommentarlos auf sein Hotelbett legte. Man signalisierte klar, dass man „not amused sei“, aber man dachte damals, dass diese Form des versuchten Dialogs Teil der zwischengeschlechtlichen Alltagskultur sei. Sozusagen salonfähig. Kavaliersdelikte eben, die eine Art von Währungseinheit für den eigenen Begehrungswert waren. Völlig vertrottelt. Die Generation Fortpflanz hat sich von diesem Mief längst befreit. Die haben analoges Selbstvertrauen, Marke #youtouchyoudie.
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