Poweraging Idole

Wie man der Alterspanik die Zähne zieht.
Polly Adler

Polly Adler

Nun ja, man kann es sich wirklich nicht mehr schön reden, aber ich befinde mich nicht mehr im letzten Achtel der Jugend, sondern im ersten Fünftel des Alters. Jetzt bestünde die Möglichkeit, sich dagegen mit dramatischen Gesichtsverzurrungen, zu Schlauchbooten aufgepumpten Lippen und Luftgitarrenexzessen bei Fünf-Uhr-Tees zur Wehr zu setzen. Nur: Je heftiger man diese Schlacht zu schlagen versucht, desto lächerlichere Figur macht man dabei. Man kennt bereits jede Menge Menschen, die sich schon mit Seniorenausweisen zu satten Rabatten im Nahverkehr verhelfen. Ihre Freizeit mit Arztterminen vollkleckern. In Panik leben, sich zu verkühlen. Nach 18 Uhr keinen Salat mehr essen wegen Blähgefahr. Aber man kennt auch wahre Ikonen in der Disziplin Poweraging. Der Journalist Ari Rath, 90, dessen Terminkalender sich zwischen New York, Jerusalem und Buenos Aires abspielt und der, Kinderle nichts für ungut, wirklich nie Zeit hat. Als ich mit der 84-jährigen Sextherapeutin Ruth Westheimer einmal einen Nachmittag in Wien verbrachte, hing mir die Zunge wie ein roter Wollschal aus der Pappalatur. Sie war nur durch Kuchentanken im Demel kurz in den Ruhemodus zu bringen, kicherte aber auch dabei wie ein Waldkobold. Als ich unlängst einen mit Bänderrissen bettlägrigen Lausbuben (81) fragte, ob er sich seine Verletzung beim Spazierengehen zugezogen hatte, brüllte der ins Telefon: „Willst du mich beleidigen? Ich war natürlich betrunken.“ All diese Power-Methusalems leben nach dem Motto „Stillstand ist Schwäche.“ Und je weniger sie sich um ihre Gesundheit kümmern, desto weniger sind sie krank. Ganz im Sinne von Keith Richards, 72, der in seinen Memoiren konstatierte: „Ein paar Ärzte sagten mir, ich hätte nur mehr sechs Monate zu leben. Ich stand bei ihren Beerdigungen in der ersten Reihe.“

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