Mit mir nicht!
Mit mir nicht!
Nachmittags geh' ich dann noch zu meiner Hypnosetherapeutin, die tut mir wirklich sehr gut“, vibrierte F in Vorfreude, „und morgen ist dann wieder Energiearbeit angesagt.“ F gehörte zur Species der Thera-Junkies. Psychotherapien in allen Variationen waren ihr Hobby. Sie hatte mit Playmobil-Figuren Familienaufstellungen exerziert, sie hatte psychoanalytisch zentrierte Abgrenzungs-Seminare absolviert, wo man im Morgenkreis zu lauwarmen Kräutertees gemeinsam „Nein, mit mir nicht!“ zu brüllen hatte; sie war auf Anraten ihres paradoxen Interventions-Shrinks auf Autobahnen gedüst, um ihre Panikattacken, die Laster auf der Nebenspur auslösten, unter Kontrolle zu kriegen; sie hatte sich in biologisch einwandfreien Farben gewälzt, um ihr inneres Kind aus der Dunkelhaft zu befreien; sie hatte auf Trommeln eingedroschen, auf denen Fotos ihrer Mutter lagen, um ihre frühkindliche Zurückweisungswut aus der Garage ihres Unbewussten zu holen. Ich bin absolut eine Verfechterin von seelischem Service und habe vier Jahre lang mit Hilfe einer Gesprächstherapie daran gearbeitet, meinen Dämonen immer öfter den Mittelfinger zeigen zu können. Doch F war trotz all ihrer Anstrengungen meilenweit von jenem seelischen Zustand entfernt, den man mit dem simplen Wort Zufriedenheit beschreiben könnte. „Geh doch einmal einfach hinaus“, sagte ich. „Wohin bitte?“ – „Na, ins Leben. Schlag ein paar Purzelbäume, kauf' dir was hinreißend Sinnloses, dreh eine Runde mit meinem Booterl auf der Alten Donau.“ Diesen Vorschlag klassifizierte sie in der Sekunde als beleidigenden Mangel an Empathie und sagte scharf: „Tut mir leid, aber so einfach bin ich nun einmal nicht gestrickt. Und außerdem, du G'scheithosen: Leben ist vielleicht einfach nicht so mein Ding.“ Ich verbiss mir die Bemerkung, dass Leben kein Frei-, sondern ein Pflichtgegenstand war, weil sinnlos. Sie hatte es sich in ihrem Leiden längst zu gemütlich gemacht.
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