Manieren-Entzündung
Die meisten dieser prekären Kreativen wissen kaum, wie man ohne gröbere Verletzungen Messer und Gabel hält.
Vor einiger Zeit ging ich mit einem Mann aus, in dessen Manieren ich mich Hals über Kopf verliebte. Es war wie Urlaub nach Jahren im Land des schofeligen Benehmens und schlechten Geschmacks. Er fuhr mit dem Wagen vor meiner Haustür vor, vollführte nachgerade einen Hechtsprung, um mir die Autotüre aufzuhalten, hatte den Lieblingstisch im Lieblingsrestaurant (nicht zu posh, aber sehr gediegen) reserviert, konversierte souverän, rollte nur gelangweilt mit den Augen, als man sein Portemonnaie zückte, und orderte ein Taxi, das mich wieder nach Hause brachte. Wie jeder Gentleman hatte er den Wein flaschenweise geordert, deswegen ließ er die Kutsche in der Garage. Inzwischen hat dieser Herr unter Männern (hoffentlich) ein Zimmer mit Aussicht im Paradies, denn er lebt nicht mehr. Mit ihm starb auch ganz offensichtlich das Comme-il-faut-Gefühl weiträumig aus. „Die meisten dieser prekären Kreativen wissen kaum, wie man ohne gröbere Verletzungen Messer und Gabel hält“, seufzte E, „aber das Allerschlimmste sind jene Typen, die sich bemüßigt fühlen, mit jeder, aber auch wirklich jeder Frau in die Blickoffensive zu gehen, als ob sie Monate in finsterer Einzelhaft zugebracht hätten. Und davor auch nicht halt machen, wenn man mit ihnen am Tisch sitzt.“– „Sofort mit der Schrotflinte aus deinem Leben jagen!“ ballerte B los, „denn merke: Männer, die A) ihre Dates nicht wie Damen behandeln, und B) Kellnern mit dieser Herrenmenschen-Attitüde begegnen, sind Schwachmatiker. Und ein schwaches Selbstbewusstsein ist die Ausgangsbasis für alles Übel dieser Welt – von Serienmorden über Kriege bis zur totalen Talentlosigkeit, einen Kavalier zu stellen.“ Wir beschlossen sofort, in die Stiloffensive zu gehen. Stärkten Damast wie Selbstbewusstsein und erweiterten die Definitionen des Gentlemans um jene: Es handle sich dabei um einen Typ Mann, der zwar viele Frauen auf diesem Planet flach legen könnte, aber den diese Gewissheit schon im Vorfeld langweilt.
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