Hello, Frühvergreisung!

Lieber Ragouts in schönen Töpfen schmoren als neue High-Heels.
Polly Adler

Polly Adler

Morgens blickt man in sein Spiegelbild und entschließt sich, es zu behalten.

von Polly Adler

über das Leben mit Tiersendungen und Vernunft

Ja und nochmals ja: Ich werde alt. Die Zeichen dafür sind mit keinem Botox der Welt mehr wegzuklicken. Ich ertappe mich beim Konsum von Tiersendungen: „Universum“ funktioniert für mich wie ein zoologisches Valium. So beruhigend. Ich ergebe mich spontanen Ordnungsattacken in Form von alphabetischer Reihung der Bücher oder Schlichtung der Gewürze nach Schärfe. Während einen früher ein Wochenpensum von nicht mehr als vier Abendterminen in Angst gestürzt hat, dass man möglicherweise unter sozial totes Gebiet fällt, gerät man jetzt unter Stress, wenn man sich nur zwei Mal äußerln führen muss. Lieber Ragouts für die ebenso in Richtung Geriatrie galoppierende Gang schmoren in den neuen französischen Emailtöpfen. Denn Küchenzeugs sind die neuen High Heels. Und bei kräftigem Rotwein über seine Wehwehchen plaudern, mit ein bisschen Ärzte-Bashing zum Nachtisch. Ach, der Rücken, der macht ja so viel Wirbel, und eine Galle hat man auch noch zu allem Überfluss ... Und dann regen sich doch noch kleine Widerstände gegen den Reifungsprozess: Man zieht die Jeans mit den vielen (natürlichen) Löchern wieder aus dem Container, man schleicht auf Konzerte von Bands, deren Auftritte nahezu unter Kinderarbeit fallen, man googelt sich durch das Leben des Typen, der mit einem kürzlich bei einem Essen unter dem Tisch so erfrischend frech auf Tuchfühlung ging. Und morgens blickt man in sein Spiegelbild, entschließt sich dann doch mangels Alternativen, es zu behalten (viele Artgenossinnen haben es ja unterwegs längst verloren) und ruft in gebotener Lautstärke: „Vergiss das mit schöner, setz einfach auf gelassener.“ Und dann quäkt das Kind mit seinen heißen 23: „Mama, ich langweile mich in Clubs. Heute kommen zehn Freunde, für die brate ich drei bis fünf Hühner an Süßkartoffel-Tralala, alles ganz gemütlich. Geht das eh klar?“ Gemütlich?! Die Jugend von heute!

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