„Fuck the audience”
Ihre Nase war nahezu länger als ihre Beine, Haare wie mausfarbene Brillos, das klassische Restposten-Mädchen in der Tanzschule.
Immer gewinnen die polierten Blonden“, schniefte liebesbekümmert die Tochter meiner Freundin K, die in der Beauty-Lotterie nicht gerade abgezockt hatte. Sie war das, was man „eine Type“ nannte – ihre Nase war nahezu länger als ihre Beine, Haare wie mausfarbene Brillos, das klassische Restposten-Mädchen in der Tanzschule, jenem ersten grausamen Fleischmarkt, dem man als weiblicher Teenager (zumindest in konservativen Kreisen) ausgesetzt ist. Aber sie besaß das Gold der Originalität. Schon als Zwölfjährige hatte sie surreale Gedichte verfasst, die einen glauben machten, dass André Breton und H. C. Artmann auf Wolken über ihrer Kreativität wachten. Und jetzt wollte sie nichts anderes werden als Schauspielerin.
Sie watete durch die Theaterliteratur und wann immer man zu Besuch war, flatterte sie plötzlich als Johanna von Orleans oder Salome Pockerl ins Wohnzimmer und verschenkte ihre Begabung. Ihren Vorbereitungs-Enthusiasmus trübte ihr Vater, der meiner Freundin schon vor Jahren an eine polierte Blonde abhanden gekommen war. „Der Firlefanz taugt maximal zum Hobby“, trieb er verlässlich die Motorsäge in ihr Selbstbewusstsein, „schau' dich doch an, lern lieber was G’scheites.“ Nur die dünne Decke der Zivilisation hielt mich davon ab, ihn zu schlagen. Ich erzählte ihr von Meryl Streep, der ein Produzent bei einem Casting für „Kingkong“ erklärt hatte, dass sie für dieses cineastische Meisterwerk nicht hübsch genug wäre. Und von Bette Davis, die eine heiß begehrte Rolle an ein talentbefreites Produzentenliebchen verloren hatte. Bette, die begnadetste aller Typinnen, schrieb der Rivalin, die den Part natürlich im Kanalsystem der Mittelmäßigkeit versenken sollte: „Darling, one thing is for sure – you cannot fuck the audience.“
Breakfast at Polly's – am 4.3. um 11 Uhr im Rabenhof.
Mit Andrea Händler und Petra Morzé.
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