Friendly Fire

Hochsaison für Scheidungsanwälte
Polly Adler

Polly Adler

Meine Freundin, die Scheidungsanwältin, hat mächtig Kundenverkehr nach den Feiertagen. Post-Weihnachten ist quasi Erntezeit. Sonst macht sich Trennungswut in dieser Dichte nur noch nach den Sommerferien bemerkbar. Ist ja auch logisch: Das sind die Zeiten, in denen Menschen einander am hilflosesten ausgeliefert sind. Der Jahreswechsel entpuppt sich als zusätzliches Tretminenfeld. Da fetzen die „Immer hast du nie“-Sätze noch einmal wie Raketen durch die Luft, da hat man sich dann besonders ausführlich nichts zu sagen. „Meinen letzten und einzigen Orgasmus werde ich mit dir haben, wenn ich die Scheidungspapiere unterzeichne“, hatte eine Klientin ihrem zukünftigem Ex zugezischt. Während Frauen ihrem Kerl gerne den Wanderstab in die Hand drücken, weil er sie beispielsweise nach 20 Jahren schon wieder fragte, ob sie ihren Kaffee mit oder ohne Zucker nimmt, ziehen die Jungs in der Regel erst dann weiter, wenn „eine neue Hemdenbüglerin bereits in der Warteschleife kreist“, so eine Paartherapeutin. Also, Mädels, kauft euren Jungs bloß nicht die „Ich muss einmal ganz viel nachdenken und zu mir finden“-Nummer ab. Selbstsuche läuft bei denen nahezu nie unbegleitet. „Wir wollten zusammen alt werden“, schluchzt Z, die am Neujahrstag unter „friendly fire“-Beschuss kam, „und er flüsterte mir „Have a nice life!“ ins Ohr und verschwand.“ – „Wenigstens gab es noch persönlichen Kontakt“, versuchte ich sie zu trösten, „in Amerika kannst du dich um zehn Dollar bei einem Breakup-Service einloggen, die die Abschieds-SMS auch noch für dich erledigen. Die meisten Kunden sind natürlich Männer.“ Ist ja irgendwie nachvollziehbar. Sie mögen es schon nicht, über ihre Gefühle zu reden. Richtig Stress macht es ihnen aber, über Gefühle brabbeln zu müssen, die sie schon lange nicht mehr haben.

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