Du schaffst das!

In der Selbsthilfe-Hölle.
Polly Adler

Polly Adler

Liebe ist ja nicht wie ein Pudding, der genau aufgeteilt werden muss.

von Polly Adler

über ayurvedischen Gesprächs-Marathon

Also, der Fortpflanz und ich haben drei Wochen miteinander überlebt. Der Gesprächs-Marathon hat den ayurvedischen Kurerfolg etwas gemindert, aber ich bin jetzt um so viel klarer. Das Kind findet zum Beispiel, dass „sexually fluid“-Beziehungen, sprich Liebe, die sich nicht auf ein Geschlecht fixieren lässt, das Prinzip der Zukunft sein wird. „Schatzl“, sage ich, „Bisexuelle gab es schon im Neandertal. Man kennt dann zwar doppelt so viele Leut', hat aber auch doppelt so viele Probleme.“ Das Kind erklärt mir, dass diese Probleme nur durch den bescheuerten Monogamie-Anspruch, dem wir aufgesessen sind, entstehen: „Ich habe vier beste Freundinnen. Wenn ich eine von denen liebe, heißt das nicht, dass ich für die anderen nicht genau so große Gefühle empfinden kann. So ist das auch bei Männern. Liebe ist ja nicht wie ein Pudding, der genau aufgeteilt werden muss, weil sonst nichts mehr für die anderen übrig ist.“ – „Bist du in das Woodstock-Töpfchen geplumpst?“ – „Nein, meine Affirmation ist nur, dass ich barrierenfrei leben möchte. Selbstbeschränkungen sind Freiheitsräuber.“ Das Wort Affirmation besitzt für mich einen Reizcharakter. Musste ich doch im Koffer des Fortpflanzes eine schaurige Entdeckung machen. Ein Lebenshilfebuch! Das eigene Fleisch und Blut lässt sich von einer Frau mit klomuschelweißen Zähnen und Botox-Blei im Gesicht erklären, wie man „durch Gedankenkraft die Illusion der Begrenztheit überwindet“. Mit Hilfe von Affirmationen, sprich durch das Wiederholen von Sätzen Marke „Ich bin toll. Heute ist der beste Tag meines Lebens.“ Wenn das Kind jetzt auch noch einen Brief an das Universum schreibt, brauche ich eine Auszeit. Am Telefon meldet es sich jetzt nur mehr mit „Hier spricht Muttchens größte Enttäuschung.“ Und merkt süffisant an, dass Mutti einen Kleinwagen in Psychotherapie verschwendet hat. Lebenshilfe hingegen hätte dieselbe Wirkung wie das Ringelspiel: „Es ist a Hetz' und kost net viel.“ Du schaffst das!

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