Die Schönheit strickender Rehe

Der Menschenschlag der Witzeerzähler.
Polly Adler

Polly Adler

Der Witze-Drang kann auch ins Pathologische abdriften. Eine Art Scherz-Tourette also.

von Polly Adler

über Kommt-ein-Mann-zum-Arzt

Wenn Menschen Witze zu erzählen beginnen, möchte man meist im Schweinsgalopp davon sprengen. Die Witzeerzähler gehören nämlich oft zum Menschenschlag der unkreativen Konformisten. Mangels eigener Scherzmittel verbarrikadieren sie sich gerne hinter den einschlägigen „Kommt-ein-Mann-zum-Arzt“-Histörchen, wobei die Pointe dann auch noch gerne versemmelt wird. Religion, medizinische Probleme, Geldsorgen und das Herunterbeten von Scherzchen gehören einfach in keine Konversation. Der Witze-Drang kann auch ins Pathologische abdriften: Moria heißt jene Krankheit, bei der durch eine Schädigung des Frontalhirns Menschen, am liebsten zu den unpassendsten Gelegenheiten, einen mit humoristischer Fertigkost zutexten. Eine Art Scherz-Tourette also. Ich hatte einmal einen Freund, dem man einfach nur Schlagworte (egal ob überdimensionales männliches Geschlechtsorgan oder Karottenkuchen) hinwerfen musste, sofort hatte er den entsprechenden Witz parat. Irgendwann konnte er sich und uns die Welt nur noch in Witzhülsen erklären. Apropos Geschlechtsorgan. Bei einem Lesebesuch in Traunkirchen neulich Folgendes erlebt: Eine steinerne Penis-Statue war auf dem Kreuzweg der Gemeinde so positioniert, dass die Gläubigen am Karfreitag über das Dingsda mehr als nur gestolpert wären. Riesenaufregung, Diskurse über die Freiheit des Penis sowie Pietät und Moral brachen los. Man einigte sich auf die Verhüllung des Phallus bis zur Auferstehung. Und das ist jetzt kein Witz. Der dortige Jungbürgermeister hatte trotz der medialen Wellen noch Zeit, uns einen Witz zu erzählen: Sitzen zwei Rehe neben einem Schuppen und stricken ein Hochhaus. Fliegt ein Burger vorbei. Sagt das eine Reh zum anderen: „Also normal ist das nicht ...“ Solche Witze wiederum sind von der surrealen Schönheit eines Magritte-Gemäldes. Sie zu erzählen, muss jederzeit erlaubt sein.

www.pollyadler.at
polly.adler@kurier.at

Breakfast at Polly’s - die Scherztherapie am Sonntagvormittag im
Wiener Rabenhoftheater: Die Burg-Stars Maria Happel und Petra Morzé sowie Ladykracher Andrea Händler begeiten Kultkolumnistin Polly Adler (alias Angelika Hager) auf ihren „Amourhatschern” durch das Krisengebiet der Liebe.
Am 30. April und 28. Mai um jeweils 11 Uhr.

Karten unter www.rabenhoftheater.com zu bestellen.

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