Die Hölle des Loslassens

Der Fortpflanz verzupft sich.
Polly Adler

Polly Adler

Red' mir's bitte in ein Sackl und stell mir's vor die Tür

von Polly Adler

über klindliche Reaktionen

Nein, ich werde nicht heulen. Ich werde auch nicht auf den Flughafen fahren. Auf dem Flughafen plärrende Mütter sind an Peinlichkeit kaum zu überbieten. Das Kind reist nach Südamerika. Zwei Monate. Mit einer Freundin. Trampen. Ausbildung abgeschlossen, kleine Überbrückungsphase vor dem Scheiß-Ernst des Lebens. Wir feiern mit ihren Agentur-Bossen, bei denen sie die letzten Monate jobbte, bei uns zu Hause Abschied. Die Bossin erzählt, dass sie mutterseelenallein mit 18 nach Amerika gedüst war. Sich als Au-pair bei einer Mafia-Familie verdingt hatte. Einer supernetten Mafia-Familie übrigens, erst unlängst ist der Vater gestorben. Erstaunlicherweise eines ganz natürlichen Todes. Die Tiroler Großmutter hatte ihr damals vor der Abfahrt 300 Schilling und die Worte „Nimm das, denn wir werden uns wahrscheinlich nicht mehr sehen“ auf den Weg mitgegeben. Die Oma war überzeugt, dass sie ihre Enkelin für immer verloren hatte – denn in den USA würde man ja schon knapp nach der Einreise überfallen und viergeteilt werden. „Du wirst schon merken, dass ich lebe“, tröstet mich der Fortpflanz, „an deinen Kreditkarten-Abrechnungen.“ – „Dein Safeword heißt Pippi Langstrumpf ... mit dem meldest du dich jeden zweiten Tag auf welcher App auch immer. Damit ich weiß, dass du nicht von regierungsfeindlichen Rebellen hops genommen wurdest.“ Das Kind signalisiert mit seinem Blick „Red' mir's bitte in ein Sackl und stell mir's vor die Tür“. Der Herzensherr des Fortpflanzes flüstert mir: „Wenn du willst, kann ich ein paar Mal vorbeikommen, nicht die Wäsche aufhängen, deine Pullis ungefragt ausborgen, in der Küche das Spaghetti-Monster geben und einen kleinen Immer-hast-du-nie-Streit vom Zaun brechen. Es ist dann fast so, als ob sie da wäre.“ „Das wäre sehr schön“, nicke ich in dankbarer Ergriffenheit. Und heule doch.Heute, Samstag: Konzert und Lesung „Polly und die Grundlseer Geigenmusi“ im Schutzhaus Ottakring, Beginn 19.30 Uhr. Karten unter Tel: 0676/630 32 28 oder joesreiseclub@a1.netwww.pollyadler.at polly.adler@kurier.at

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