Cremeschnitten-Inferno
Der Meinige isst mir ja so viel nicht. Kane Innereien, kane Fisolen. Es ist so fad mit ihm.
Die Damen am Nebentisch der Vorstadt-Konditorei behandelten ihre Cremeschnitten wie Liebhaber, die sie nach Wochen der Abstinenz auf dem Perron endlich wieder in die Arme schließen konnten. Nach längerem Verzehrschweigen, das nur von orgiastischen Lauten der Freude an den Kalorien unterbrochen war, sagte die eine mit düsterer Stimme: „Der Meinige isst mir ja so viel nicht. Kane Innereien, kane Fisolen. Es ist so fad mit ihm.“ Was möglicherweise nicht nur am eingeschränkten Ess-Repertoire liegt. „Ist er vielleicht a Vegetarier a no“, fragte die andere beileidsschwanger. „Na, na, soweit kommt’s no.“ – „Meiner ist dafür immer z’Haus. A net lustig. Seit der Pension. Den ganzen Tag. Den kriegst nur mehr mit an Feueralarm von der Couch.“ – „Musst mehr staubsaugen, ganz laut staubsaugen. Dann wird’s ihm schon vergehen, des Z'Haussein.“
Konversations-Voyeurismus ist ja eines meiner liebsten Hobbys, aber mir taten die Herren dieser Cremeschnitten-Xanthippen von Herzen leid. Dass Frauen über ihre Männer wie über
Haustiere mit Kon-struktionsfehlern reden, ist ja ein weit verbreitetes Phänomen, wie mir auch kürzlich ein Männerforscher berichtete. „Viele Frauen behandeln ihre Männer ja wie Idioten. Vor allem emotionale Idioten. Aber nur weil Männer anders oder nicht über ihre Gefühle reden, heißt das nicht, dass sie keine haben.“ „Sei mein wie ich’s mir denke!“ schrieb Sigmund Freud an seine zukünftige Frau, die ihn später in Dauer-Hingabe als „Zentralsonne“ und „teures Oberhaupt“ bezeichnete. „Zweifle nicht an meiner Unsterblichkeit“, lautete das Kommando von Egon Friedell an seine Geliebte Lina Loos. Männer im Zentralsonnen-Status sind tempi passati, dem Himmel sei Dank. Doch wie lästige Montagsmodelle behandelt zu werden, haben sie sich auch nicht verdient. Wo kommen wir denn da hin?
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