Bitte ohne Ego-Booster
Der Typ war hochkantig aus meiner Bude geflogen
Ich hatte den Mann total aus den Augen verloren. Ab und zu war er als „Tatort“-Bösewicht mit irrlichterndem Blick durchs Bild gewieselt, aber ansonsten keine Ahnung über Verbleib und Befindlichkeiten. Es hatte in der „Paris Bar“ im Berlin der Achtziger begonnen, wo ich für meine Diplomarbeit über den Dichter Botho Strauß an der Schaubühne recherchierte. Die Geschichte ging nicht gut aus. Bei einem späteren Wien-Besuch hatte der Typ auf das Heftigste eine Freundin vor mir angebaggert und war hochkantig aus meiner Bude geflogen. Herrn Zuckerberg sei Dank wurde das Drama jetzt erinnerungs-reanimiert, denn ich bekam kürzlich ein originelles „Hallo, wie geht's denn so?“ aus Hamburg, geschmückt von einem Profilfoto, zu dem mir außer affig nichts einfiel. Der in die Jahre gekommene ARD-Villain trägt darauf einen Lederjoschi mit hoch aufgestelltem Kragen, der Blick trotzig, die Arme verschränkt, der Versuch, den fliehenden Haaransatz durch Toupier-Maßnahmen heimzuholen, offensichtlich. Eitelkeit ist ja schon bei im Reifungsprozess befindlichen Frauen schnell pfuuh (ich ertrage die Dagobert-Duck-Lippen mit Arm in die Hüfte gestützten Poser-Pics meiner 50-plus-Kolleginnen ganz schlecht), aber bei Männern irgendwie noch mehr daneben. Das ist natürlich, aus der Genderperspektive betrachtet, total ungerecht, schließlich haben wir ja kein Monopol auf Gefallsucht, aber ganz entre nous, nichts ist erotischer als ein Mann, dessen Styling einem ungemachten Bett gleich kommt, ohne dass man irgendeine Form von Anstrengung dahinter spürt. Der ohne Ego-Booster durchs Leben schlendert und nicht in jedem zweiten Satz Mitteilung machen muss, was er nicht alles hat oder haben könnte. „Bescheidenheit ist die höchste Form der Eitelkeit“ vermeldete Oscar Wilde. Geschenkt, Oscar, solange ich die Strategie dahinter nicht merke, soll mir das recht sein.
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