Menschensammler

15 Jahre sind eine lange Zeit. Vielleicht aber sind eineinhalb Jahrzehnte im Dienste des KURIER eine gute Gelegenheit, um in aller Ruhe einmal zurückzublicken. Zwar kann ich Ihnen an dieser Stelle nicht wirklich viel davon erzählen, wie die großen Umwälzungen in dieser Republik im Detail abliefen, oder was in den Hinterzimmern der Macht so gemauschelt wird; der Grund dafür ist relativ simpel: Ich war nicht dabei.

Dafür habe ich im Herbst 2004 meinen Notizblock geschnappt und bin vom Büro in der Bräuhausgasse zu Leopold Reibenwein rübermarschiert. Der Jäger hat damals ein verletztes Kitz entdeckt und im Garten seines Hauses aufgepäppelt. Mitten in der City ist das Tier aufgewachsen, 160 Kilo schwer geworden und hat dermaßen laut geröhrt, dass Anrainer in dem Glauben waren, ein Schwerhöriger schaut sich jeden Abend dieselbe Universum-Folge an.

Manchmal kann man auch helfen. Als Lautsprecher für jene da sein, deren Stimme alleine zu leise wäre. Da ist mir Erwin Gomsi aus Altlengbach in Erinnerung. Verbissen hat er um Lärmschutzwände beim Knoten Steinhäusl gekämpft. Wenn er sich in Rage geredet hat, wurde sein Kopf tomatenrot, dann schlug er mit der Faust auf den Tisch. Ich habe ihn bei seinen Forderungen gerne unterstützt, in die Tastatur gehämmert. Nach langem Hin und Her wurden die Wände tatsächlich aufgestellt. Es zahlt sich eben aus, lästig zu sein.

Als Reporter erlebt man leider auch oft die traurigen Seiten des Lebens. Wenn Menschen Leben auslöschen, weil sie hassen, an einer Krankheit leiden, oder keinen Ausweg mehr wissen. Dann versucht man, über das Geschehene sachlich und korrekt zu berichten. Man spricht mit dem Umfeld, hört zu.

Eine liebe Kollegin hat mich kürzlich gefragt, was ich in meinem Leben noch erreichen will. "Ein Menschensammler will ich sein", habe ich ihr geantwortet. Leute kennenlernen, mir ihre Geschichte anhören und niederschreiben, Freundschaften schließen.

Ein Menschensammler. Ja, der will ich sein.

eMail: johannes.weichhart@kurier.at