Klimaticket: Die Öffi-Flucht nach vorne

Klimaticket: Die Öffi-Flucht nach vorne
Bei den Pendlern hat die Ministerin mit der überraschenden Ankündigung des Öffi-Klimatickets gepunktet. Bei ihren Partnern aber nicht.
Martin Gebhart

Martin Gebhart

Dass eine Verkehrsministerin eine Pressekonferenz über die staatliche AUA-Rettung als Rahmen wählt, um den Startschuss für das versprochene günstigere Öffi-Jahresticket zu geben, ist sehr ungewöhnlich. In diesem Fall aber auch wiederum verständlich. Es muss das grüne Herz von Leonore Gewessler ziemlich schmerzen, dass von dieser Bundesregierung Hunderte Millionen in die Hand genommen werden, um den Fortbestand einer Fluglinie abzusichern. Da ist natürlich das 1-2-3-Klimaticket ein idealer Gegenpol, um bei der Öko-Anhängerschaft nicht ganz das Gesicht zu verlieren.

Es ist eine sehr einfache Formel, die Ministerin Leonore Gewessler für ihr Leuchtturmprojekt gewählt hat: ein Euro pro Tag für ein Jahresticket innerhalb eines Bundeslands, zwei Euro pro Tag für den Pendlerverkehr zwischen zwei Bundesländern und drei Euro pro Tag für ganz Österreich – eben 1-2-3-Ticket. Wobei sie nun die Umsetzung im Jahr 2021 gleich mit der Stufe 3 beginnen will. 1.095 Euro, um ein Jahr lang alle Öffis in ganz Österreich – von Bahn über Bus bis hin zu U-Bahn oder Straßenbahn – nutzen zu können. Das ist unschlagbar. Ein echter Beweggrund, das Auto in der Garage zu lassen.

Der Applaus der Öffi-Pendler und natürlich der Klimaaktivisten ist der Ministerin sicher. Ihre Partner in der Finanzierung und Umsetzung dieses Projektes haben seit Dienstag aber einiges zu schlucken.

Öffentliche Reaktionen, gar Widerstand hat es bislang nicht gegeben. Niemand will beim Klimaschutz als Bremser dastehen. Schon gar nicht die Bundesländer oder deren Verkehrsverbünde. Es ist aber bereits eine lange Liste an Fragen, denen sich Ministerin Leonore Gewessler am Montag stellen muss, wenn sie das geplante 3er-Ticket erstmals den Ländervertretern im Detail präsentiert.

Wie nicht anders zu erwarten, steht die Finanzierung an oberster Stelle. Die Bundesländer sind sich über die Parteigrenzen hinweg einig, dass der Bund die Hauptlast für „sein Vorhaben“ tragen muss. Die Verkehrsunternehmen abseits der ÖBB wollen wissen, wie ihnen die geringeren Ticketerlöse abgegolten werden. Und manche Bundesländer werden versuchen, zu überzeugen, dass doch noch das gesamte 1-2-3-Ticket in einem Zug umgesetzt wird.

Wegen all dieser Punkte hätten sich viele Partner der Ministerin gewünscht, dass Verhandlungen bereits vor der besagten Pressekonferenz stattgefunden hätten, bevor Leonore Gewessler öffentlich diesen Pflock eingeschlagen hat. Einen Schritt zurück wird es jetzt nicht mehr geben. Koste es, was es wolle. Denn kaum ein Verkehrsexperte glaubt daran, dass das Ministerium mit den prognostizierten 240 Millionen Euro auskommen wird. Das ist viel zu niedrig angesetzt.

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