Jurist zu Corona-Gesetzen: „Persönliche Freiheit ist in Gefahr“

Jurist zu Corona-Gesetzen: „Persönliche Freiheit ist in Gefahr“
Nachschärfen bei Corona-Gesetzen könnte verfassungsrechtlich wieder problematisch werden.

Vor wenigen Wochen hat der Verfassungsgerichtshof (VfGH) die von Gesundheitsminister Rudolf Anschober Mitte März erlassenen Ausgangsbeschränkungen nachträglich für rechtswidrig erklärt. Der Gesundheitsminister habe mit dem generellen Betretungsverbot für den öffentlichen Raum die einschränkenden Vorgaben des Parlaments nicht eingehalten. Zulässig wären Betretungsverbote nur für „bestimmte Orte“ gewesen.

Nun bereitet sich die Bundesregierung auf den Corona-Herbst vor und schärft aus Anlass des VfGH-Erkenntnisses bei der gesetzlichen Grundlage nach. Der vom Gesundheitsministerium ausgegebene Begutachtungsentwurf ist verfassungsrechtlich aber wieder problematisch.

Denn die persönliche Freiheit ist in Gefahr. Geht es nach dem Entwurf, soll in Zukunft nicht nur das Betreten von „bestimmten Orten“, sondern nunmehr auch von „öffentlichen Orten in ihrer Gesamtheit“ per Verordnung eingeschränkt werden können.

Diese Gegenüberstellung weckt Erinnerungen an den „Ostererlass“, durch den Anfang April das Zusammentreffen zu Osterfeierlichkeiten im privaten Rahmen beschränkt werden sollte und der nach starker Kritik schnell wieder in der Schublade verschwand.

Da die „bestimmten Orte“ keine „öffentlichen“ sein müssen, will man sich offenbar die Option erhalten, notfalls auch in die Privatwohnung der Menschen hineinzuregieren. Vor dem Hintergrund des Grundrechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens ist das äußerst problematisch.

Weitere Bedenken

Verfassungsrechtlich bedenklich ist auch die im Entwurf vorgesehene Ermächtigung, das Betreten von öffentlichen Orten in ihrer Gesamtheit zu verbieten. Das soll zwar nur zulässig sein, wenn mildere Maßnahmen nicht ausreichen. Außerdem soll es „ausreichende Ausnahmen“ von einem generellen Betretungsverbot geben müssen.

Das ändert aber wohl nichts daran, dass die nunmehr erweiterten Eingriffsbefugnisse mit dem Grundrecht auf persönliche Freiheit aufeinanderprallen. Ja, dieses sogar verletzen könnten.

Die Krux an der Sache: Das Recht auf persönliche Bewegungsfreiheit weist strukturelle Unterschiede zu anderen Grundrechten auf. Eine Beschränkung dieses Rechts setzt nicht nur verhältnismäßiges Vorgehen voraus, sondern muss sich überdies auf einen im Bundesverfassungsgesetz über den Schutz der persönlichen Freiheit explizit vorgesehenen Erlaubnistatbestand stützen können.

So kann einem Menschen die persönliche Freiheit entzogen werden, „wenn Grund zur Annahme besteht, dass er eine Gefahrenquelle für die Ausbreitung ansteckender Krankheiten sei oder wegen psychischer Erkrankungen sich oder andere gefährde“.

Es besteht jedoch kein Zweifel, dass demgemäß nur die Freiheit jener Personen beschränkt werden darf, von denen eine Gefahr ausgeht, weil sie entweder infiziert sind oder zumindest der konkrete Verdacht einer Infektion besteht.

Für eine darüber hinausgehende Internierung von Menschen durch Betretungsverbote des öffentlichen Raumes gibt es keine Grundlage. Wird der Entwurf zum Gesetz, stehen die Chancen also gut, dass sich der VfGH im Herbst ein zweites Mal mit den Ausgangsbeschränkungen befassen muss.

Dominik Prankl ist Jurist und Universitätsassistent. Er hat die Verordnung zu den Ausgangsbeschränkungen erfolgreich vor dem VfGH angefochten.

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