Von den Rosinen in den Preisen

„Jetzt fallen die Preise“, titelte zuletzt ein Boulevard-Blatt. Die Inflation war von 7,4 auf 6,1 Prozent gefallen. Die Schlagzeile ist natürlich grober Unfug. Die Preise steigen weiter, nur langsamer, aber immer noch dreimal so stark, wie die EZB anpeilt.
Der Beginn der Inflationsrallye wurde durch die Energiepreise ausgelöst. Die stark gestiegenen Kosten für Strom, Gas und Treibstoffe machten sich in den Preiskalkulationen der Unternehmen breit, besonders in jenen mit hohem Energiebedarf. „Ich zahle für Energie jetzt wieder so wenig wie vor dem Ukraine-Krieg“, erzählt der Wirt von nebenan. Und auf die Frage, ob das Schnitzel jetzt auch wieder billiger wird, erntet man ein eher ungläubiges Achselzucken. Also nein. Natürlich sind in der Gastronomie die Energieanteile in der Kalkulation drittrangig, es sind die Zweitrundeneffekte wie hohe Lohnabschlüsse, gestiegene Mieten oder teure Rohstoffe, die einen höheren Preis rechtfertigen. In anderen Branchen ist das anders.
Warum Skigebiete, deren Lifte zum großen Teil vor der Krise errichtet wurden und wenig Personalaufwand haben, die Preise hinaufschnalzen, ist nicht wirklich nachvollziehbar. Dasselbe gilt für Sporthallen, deren Betrieb viel Energie benötigt, die aber sonst wenig Kostenfaktoren haben. Waren es vor der Krise für Tennis oder Squash um die 25 Euro pro Stunde, sind es jetzt fast 40.
In vielen Branchen kommt die "Gewinnflation" dazu
Das Gleiche gilt für den Dienstleistungssektor. Warum eine ärztliche Behandlung plötzlich um 50 Prozent mehr kostet als vor drei Jahren, ist rätselhaft. Jeder kann – so wie der Autor dieser Zeilen – aus seinen Erfahrungen der letzten Wochen wohl viele weitere Beispiele hinzufügen. Nach 18 Monaten echt kostengetriebener Inflation kommt jetzt in vielen Branchen also die „Gewinnflation“ dazu. Handhabe dagegen gibt es kaum, denn die Preiskommissionen sind wie die Wettbewerbsbehörde in solchen Fragen zahnlos. Am ehesten muss das der Markt regeln. Um einen fairen Wettbewerb herzustellen, benötigt man laut reiner Lehre der Volkswirtschaft völlige Markttransparenz, vor allem bei Preisen.
➤ Inflation: Gastronomie und Hotellerie Hauptpreistreiber im September
Ein positives Beispiel dafür ist die E-Control, die mit wenigen Mausklicks den günstigsten Energieversorger auswirft und auch gleich den alten Vertrag kündigt. Angebote wie „Energy Hero“ wechseln automatisch ohne Zutun des Verbrauchers. Aber: Haben Sie schon jemals die von der Regierung versprochene Preisdatenbank für Lebensmittelhändler genützt? Gibt es die überhaupt schon?
Bleibt bei aller Preis-Schlacht die Frage der Qualität: Waren schon bei Corona die „Geiz ist geil“-Finanz-Start-ups plötzlich verschwunden, als es um Überbrückungskredite ging, und wieder die klassischen Hausbanken für ihre Not leidenden Kunden da, so sind es in der Energiekrise vermeintliche „Stromsparmeister“ gewesen, die ihre Kunden gekündigt und sie den konventionellen Energieversorgern „überlassen“ haben. Jetzt sind sie wieder retour und wollen die Rosinen aus dem Kuchen picken. Es zählt also nicht nur der Preis, sondern auch die Qualität. Und auch das sollte allen verantwortungsbewussten Konsumenten klar sein.

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