Ich geh’ schaukeln

Ich laufe Gefahr, Stammgast zu werden. Weil ich andauernd etwas verliere.
Simone Hoepke

Simone Hoepke

Ich laufe Gefahr, Stammgast zu werden. Weil ich andauernd etwas verliere.

von Mag. Simone Hoepke

über das Fundbüro

Endlich! In Zürich hat ein Fundbüro eröffnet. Ich laufe Gefahr, dort Stammgast zu werden. Weil ich andauernd etwas verliere. Beim Laufen kommt mir verlässlich bei Kilometer 0,5 die Ausdauer abhanden. Seh’ ich eine Tafel Schokolade, verlier ich augenblicklich jede Selbstdisziplin ... und bei den Abendnachrichten den Respekt vor Präsidenten mit orangen Köpfen und gelben Haaren.

Wer sich mit solchen Dingen – wie ich – beim Salzamt schlecht aufgehoben fühlt, kann künftig beim Züricher Fundbüro2 für Immaterielle Dinge vorstellig werden. Auch online.

Leider wusste ich das nicht, als ich die Geduld mit meinem Orangenbaum verloren habe. Der hat sich heimlich Untermieter genommen. Läuse. Ich musste ihn vor die Wahl stellen: Ich oder die Läuse. Um es kurz zu machen – ich habe verloren und die Konsequenz gezogen. Hab’ den Baum vor die Tür gesetzt, in den Innenhof, direkt neben die Mülltonne. Eine Stunde später war sein schöner Übertopf weg. Tags drauf der ganze Baum.

Tage später ist er mir wieder erschienen. Im Stiegenhaus. Es war mysteriös. Später hat mir die Nachbarin verraten, dass sie ihn vor der Müllabfuhr gerettet hat und seitdem mit seiner Entlausung beschäftigt ist. Ich hab’ mich bedankt. Ein Fehler.

Eine Woche später sperrte ich frühmorgens die Wohnungstür auf und bückte mich, um die Zeitung von der Fußmatte aufzuheben. Da stand er wieder vor mir: Der Baum, an ihm baumelte ein Zettel: "Sind vier Wochen auf Urlaub, bitte um Aufnahme des Findelkindes."

So haben wir uns wieder gefunden – ganz ohne Fundbüro. Der Baum blüht buchstäblich auf. Ich hab ihm versprochen, dass ich ihn nicht wieder aussetzen werde. Verliere ich die Geduld mit ihm, gebe ich einfach eine Anzeige in Zürich auf.

Man kann dort übrigens auch melden, wenn man etwas gefunden hat. Liebe, Leidenschaft, die Lust am Leben. Bestenfalls mit Angabe des Ortes – für den Fall, dass es dort noch mehr davon gibt. Ich hab’ eine Schaukel in den Bergen Nepals genannt. Dort hab’ ich im Urlaub die kindliche Lebensfreude (wieder)gefunden.

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