Tiroler zu sein, fällt derzeit schwer und leicht. Ich halte es für unpassend ein ganzes Bundesland und seine Einwohner zu stigmatisieren. „Tirol zusperren“ tönt es seit Tagen aus den Medien. Tiroler Hoteliers hätten das Virus eingeschleppt. In Wahrheit waren sie nie infiziert. Die Tiroler wollen nur Profit, dabei schreiben die Skigebiete derzeit hohe Verluste. Skifahren ist nur für die Oberschicht. Ischgl ist in Tirol, und Tirol ist die Virenschleuder Europas. So schnell geht das. Ein gemeinsamer Außenfeind schweißt zusammen, wenn es nicht so toll läuft. Diesmal sind halt die Tiroler dran. Und wer als nächstes?
Wer einem Bundesland fünf Tage ausrichtet, dass man es „abriegeln“ (mit Ketten oder Grenzstationen?) möchte, muss verstehen, dass sich Widerstand regt, noch dazu nach drei Monaten Lockdown und die Lockerung zum Greifen nahe. Stellen Sie sich mal Michael Ludwig und Peter Hacker im Duett vor, hätte sich wer für die Abriegelung Wiens wegen britischer Mutanten in einem Pflegeheim stark gemacht.
Doch die Tiroler Politik (und nicht die Tiroler) ist auch selbst Schuld. Wer den Eindruck vermittelt, die Datenlage zu ignorieren, muss sich Vorwürfe gefallen lassen. Und für geifernde Auftritte wie jenen des Tiroler Wirtschaftskammer-Chefs hätte sich vor 200 Jahren sogar Andreas Hofer geniert. „Dann sperren wir den Transit!“ ist keine Antwort auf die aktuell größte Corona-Gefahr. Das ist Trump auf tirolerisch und löst im Rest des Landes großen Ärger aus. Denn dass der B.1.351-Cluster isoliert, werden muss, ist unbestritten, da helfen auch die guten Inzidenz-Werte Tirols derzeit nichts.
Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser hat 2010 beim Hypo-Skandal volle Aufarbeitung versprochen. Als die Republik ein Auge auf das 500 Millionen Euro schwere Vermögen des Kärntner Zukunftsfonds warf, signalisierte er, dass dies eine Grenze überschreiten würde. Genau so geht das. Das Problem wurde gemeinsam gelöst und der Schaden minimiert. Und er hat damit sogar seine Wahlen gewonnen.
Tirol war nicht der letzte Konflikt in dieser Corona-Zeit. Die großen werden erst in der Aufarbeitung und Abrechnung kommen. Aber wahren wir Sachlichkeit, Augenhöhe und Respekt. Denn schon morgen könnten wir selbst Tiroler sein.
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