Hilferufe ins Leere

Hilferufe ins Leere
Frauen werden nicht ernstgenommen. Das ist besonders verheerend, wenn die Ignoranz den Tod der Betroffenen nach sich zieht.
Agnes Preusser

Agnes Preusser

Wenn die Vorwürfe, die ein Wiener Anwalt gegen die oberösterreichische Polizei erhebt, stimmen, so ist das ungeheuerlich: Eine Frau wurde ignoriert, als sie eine befreundete Escort-Dame als abgängig meldete. Erst als sich der Anwalt selbst eingeschaltet hat, soll die Cobra die Wohnung des Tatverdächtigen gestürmt haben – mehrere Stunden später. Die Frau war bereits tot, ihr Körper wies Zeichen extremer Gewalteinwirkung auf.

Damit gingen in Oberösterreich zweimal hintereinander Hilferufe einer Frau ins Leere. Erst Ende Juli nahm sich Ärztin Lisa Maria Kellermayr das Leben, nachdem sie von Impfgegnern massiv bedroht worden war – und sich von der Polizei nicht genug geschützt gefühlt hatte. Ein Polizeisprecher hatte zuvor im Radio gesagt, dass sich Kellermayr nur in die Öffentlichkeit drängen wolle.

Frauen werden in Österreich immer noch nicht ernst genommen. Einfach nur, weil sie Frauen sind. Vor diesem Schicksal schützt weder Bildung noch Berufsstand oder Staatsbürgerschaft.

Das zeigen die beiden genannten Fälle deutlich. Der österreichischen Ärztin hat man genauso wenig geglaubt wie der Freundin der rumänischen Escort-Dame. Beide hätten gleichermaßen Gehör verdient, bei beiden endete die Ignoranz schlimmstmöglich.

Frauen werden immer noch als Hysterikerinnen abgetan, oft auch als Lügnerinnen. Und dann ist da auch noch das Narrativ, dass sie ja selbst schuld seien an ihrem Schicksal. Dieses Argument geht gerade dann vielen leicht über die Lippen, wenn das Opfer in der Prostitution tätig war. Und es ist trotzdem nicht wahr.

Auch beim Mordfall rund um die 13-jährige Leonie wurde die Schuld nicht nur bei den mutmaßlichen Tätern gesucht. Vor allem ihre Eltern bekamen den Hass der Öffentlichkeit zu spüren. Die Verdächtigen hatten in einer ersten Rechtfertigung vor einem Jahr sogar die Kaltschnäuzigkeit, die Schuld auf das Kind abwälzen zu wollen. Vor Gericht, der Prozess startete gestern, wird man das wohl anders sehen.

Es ist jemand schuld, wenn ein Mädchen getötet wird. Es ist auch jemand schuld, wenn – wie im Fall Kellermayr – gedroht wird, jemanden zu „schlachten“ oder „in einem Keller zu foltern“. Es ist jemand schuld, wenn eine Frau zu Tode geprügelt wird. Schuld ist aber nicht die Frau, schuld ist der Täter. Immer.

Die Landespolizeidirektion Oberösterreich will die Vorgänge vor dem Tod der Escort-Dame nun intern prüfen. Man kann nur hoffen, dass das kein schnödes Lippenbekenntnis bleibt. Und der öffentliche Druck groß genug bleibt, dass der Ankündigung auch Taten folgen. Wenn sich ein Beamtenversagen offenbart, müssen auch harte Konsequenzen gezogen werden. Denn verzweifelte Hilferufe sind ernstzunehmen. Immer.

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