Hilfe in der Not gibt es nicht gratis
Für die Tsunami-Opfer haben die Österreicher Millionen gespendet. Wäre das auch heute noch so?
Es gibt Tage, an die erinnert sich jeder auch Jahre danach als wären sie gestern gewesen. Der Tsunami, der in den letzten Dezembertagen 2004 mehr als zweihunderttausend Menschen das Leben kostete, hinterließ in unseren Breiten eine kollektive Erfahrung: Die Katastrophe riss uns alle aus der Beschaulichkeit der Weihnachtsferien. Die einen saßen gebannt vor dem Fernseher, die anderen fahndeten besorgt am Telefon und im Internet nach dem Verbleib ihrer Lieben.
Der KURIER hat nicht nur intensiv berichtet. Dank der Hilfsbereitschaft von Lesern, Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen konnte "Kurier Aid Austria" mit 11 Millionen Euro beim Wiederaufbau nach der Katastrophe helfen. Ein Lokalaugenschein zehn Jahre danach zeigt: Das Geld hat beispielsweise in Sri Lanka Tausenden Menschen ein besseres Leben ermöglicht.
Wäre eine solche Spenden-Aktion auch heute wieder derart erfolgreich möglich? Das großartige Engagement der Spender und Unterstützer der KURIER-Lernhäuser (mehr Infos unter: www.kurier.at/lernhaus) nährt die Hoffnung, dass Solidarität vielen weiterhin kein rätselhaftes Fremdwort ist.
Nachdenklich macht aber, dass hierzulande die Hilferufe der Innenministerin nach Quartieren für Kriegsflüchtlinge immer lauter werden müssen, das Echo aber weiterhin verhalten bleibt. In einem der reichsten Länder Welt wird es immer schwieriger, Platz für ein paar Tausend zusätzliche Verzweifelte zu finden. Zu Anfang versuchte es Johanna Mikl-Leitner mit der einleuchtend simplen Idee: Wenn jede der rund 2350 Gemeinden auch nur einen Flüchtling (mehr) nimmt, ist der aktuelle Mehrbedarf an Quartieren schon gedeckt.
Aus Angst vor Bürgerunmut stellten sich nur wenige mit Angeboten ein. Michael Häupl hatte bereits davor couragiert ein Bundesgebäude zum Flüchtlingsquartier umrüsten lassen. Weil Wien die Zuteilungsquote damit deutlich übererfüllt, soll es bald wieder dichtgemacht werden – um "nicht als die Depp der Nation" dazustehen.
Wer hilft denn mir?
Noch in den 1990er-Jahren war es keine Frage, Opfer des Balkan-Konflikts massenhaft zumindest vorübergehend aufzunehmen. 90.000 Menschen allein aus Bosnien-Herzegowina fanden damals in Österreich ohne Gezeter rasch Quartier.
Das gesellschaftliche Klima ist im sechsten Jahr der Krise spürbar rauer geworden. Solidarität macht sich rar. Immer mehr Österreicher fühlen sich selbst im Stich gelassen oder vom sozialen Abstieg bedroht. Ein Gefühl, das sich oft in dem Ressentiment entlädt: Anderen wird geholfen, aber wer hilft mir? Ein Gefühl, das nicht immer richtig sein muss, aber ernst zu nehmen und öffentlich aufzuarbeiten ist. Hilfe und Hilfsbereitschaft gibt es nicht gratis.
Die Politik darf diesen Job nicht mehr allein bei der Innenministerin abladen. Eine Regierung, die diesen Namen verdient, hat nicht allein das zu tun, was populär ist.
Sie muss das Richtige tun und es populär machen.
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