Hamstern als Brandbeschleuniger
Österreichs Lebensmittelindustrie ist dieser Tage nicht so gut auf die ungarische Politik zu sprechen. Schließlich hat das Nachbarland gerade Exportbeschränkungen, etwa für Weizen, Gerste, Hafer, Mais, Sojabohnen oder Sonnenblumenkerne, verhängt. Der ungarische Staat hat nämlich beschlossen, dass er sich zumindest bis Mitte Mai ein Vorkaufsrecht auf diese Rohstoffe genehmigt. Ganz nach der in der EU gelebten Tradition: „Jeder ist sich selbst am nächsten.“
Aus österreichischer Sicht ist das ungarische Vorgehen nicht nur EU-rechtswidrig, sondern schlichtweg eine Frechheit. Schließlich kommen normalerweise etwa 50 Prozent der importierten Sonnenblumenkerne oder Sojabohnen aus Ungarn. Die Preise für Raps- und Sonnenblumenöl explodieren und wachsen sich speziell für Produzenten von Tiefkühlkost zu einem Problem aus. Schon wird ein Engpass an Tiefkühlpommes heraufbeschworen, weil der Nachschub an Öl fehlt. Währenddessen hamstern die Deutschen Sonnenblumenöl – Berichte über die leer gekauften Verkaufsregale rufen Nachahmungstäter auf den Plan und verschärfen völlig unnötig das Problem, klagen Supermarktmanager.
Hamsterkäufe auf allen Ebenen.
Von Privaten wie von Staatenlenkern.
Rund um Peking wird angeblich bereits die Hälfte des weltweit verfügbaren Weizens gebunkert. Erste Marktbeobachter sehen hinter diesem monströsen Getreideberg schon den strategischen Plan der Chinesen, sich den Weg zu mehr Macht in afrikanischen Ländern zu ebnen. Unter den weltweit 50 Ländern, die mangels fruchtbarer Böden ein Drittel oder noch mehr ihres Weizens aus der Ukraine oder Russland importieren, sind traditionell viele Länder Nordafrikas. Sie werden von der Lebensmittelkrise am stärksten betroffen sein.
Schon wieder.
Erinnerungen an den „Arabischen Frühling“ werden wach. Millionen Menschen auf der Flucht in Richtung Europa. Ein Flächenbrand, ausgelöst von einem verzweifelten 26-jährigen Tunesier, der sich mit Benzin übergossen und angezündet hat. Tunesien gehört übrigens zu jenen Ländern, die stark von Weizenimporten aus der Ukraine und Russland abhängig sind. Es kam bereits, wie es kommen musste. Hamsterkäufe, gestiegene Preise, erste Engpässe. Mit Blick zurück kein gutes Omen für die Zukunft.
Will die westliche Welt wieder in Frieden und Stabilität leben, darf sie sich nicht nur auf ihre eigenen, buchstäblich gesättigten Märkte konzentrieren, sondern muss über den eigenen Tellerrand hinaus blicken. Jene Stimmen, die jetzt nach einem koordinierten Vorgehen der G20 und einem Ende der nationalen, preistreibenden Hamsterkäufe rufen, klingen in diesen verrückten Zeiten nach einer selten gewordenen Stimme der Vernunft.
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