Grünstrom als Grünen-Retter
Die neueste Ankündigung von Klima- und Energieministerin Leonore Gewessler von Energiegemeinschaften ab 2021 klingt nicht nach einem großen Aufreger. Die Idee, gemeinsam mit den Nachbarn eine Solaranlage samt Batterie-Energiespeicher zu betreiben, wird auch noch niemanden vom Hocker reißen. Für die Elektrizitätsbranche ist das aber eine richtig große Veränderung, da letztlich jeder Bürger zum Stromproduzenten werden kann – und soll.
Gewessler setzt damit nur schneller als die meisten anderen EU-Staaten um, was die Kommission, die Staats- und Regierungschef der EU-27 und das EU-Parlament längst auf Schiene gebracht haben. Die EU-Richtlinie für diese Bürger-Energiegemeinschaften klingt fast pathetisch: Es geht um eine Veränderung der Energiewirtschaft, in deren „Mittelpunkt die Bürger“ stehen, die „Verantwortung für die Energiewende übernehmen“ und „aktiv am Markt teilnehmen“ sollen. Die „Verbraucher sollen die Möglichkeit erhalten, sich stärker und auf neue Art und Weise am Energiemarkt zu beteiligen“, damit die Ziele für Klimaschutz und Energiewende erreicht werden. Wir Bürger wandeln uns vom Strom-Konsumenten also zum Strom-Produzenten.
Eingebettet werden diese Energiegemeinschaften im längst überfälligen Entwurf für das EAG, das Erneuerbaren- Ausbau-Gesetz. Diese Novelle wird uns seit Jahren versprochen, Gewessler glaubt nun, die gordischen Knoten bei der Energiewende gelöst zu haben. Die Knoten sind zahlreich: Österreich will bis 2030 Strom nur mehr aus Erneuerbaren Energien erzeugen. Im türkis-grünen Regierungsprogramm ist ein massiver Ausbau von Photovoltaik, Windkraft, Wasserkraft, Erdwärme und Biogas versprochen. Doch es fehlen die Investitionen – vor allem aus zwei Gründen. Erste Hürde ist die Unklarheit, wo neue Großanlagen wie Windparks oder Photovoltaik-Kraftwerke überhaupt gebaut werden dürfen? Vor allem bei der Windkraft sind Anrainer selten begeistert über die riesigen Türme und legen sich quer. Bei PV-Anlagen wird die Frage sein, ob man einfacher auf Hausdächern kleine und etwa auf brachliegendem Ackerland große PV-Paneele installieren können soll.
Zweite große Hürde sind die Einspeistarife: Wie viel Cent pro eingespeister Kilowattstunde ins Stromnetz sollen bezahlt werden? Was wird Gewessler da vorlegen?
Für die Ministerin selbst dürfte das Energiegesetz zudem ein Befreiungsschlag werden, damit in dieser Regierung die Grünen endlich mit echten grünen Projekten punkten können. Auch das 1-2-3-Ticket ist ja noch nicht auf Schiene. Die Stromnovelle ist auch für Grünen-Chef Werner Kogler immens wichtig. Geht das alles schief, müssen sich die Grünen schon fragen, was sie eigentlich in dieser Regierung zu suchen haben.
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