Links - rechts: Europa in Wellen

Links - rechts: Europa in Wellen
Früher regierten die Linken vom Süden bis nach Skandinavien, jetzt die Konservativen. Solche Wellen sind flüchtig, wie einzelne Stars
Andreas Schwarz

Andreas Schwarz

Es ist gerade einmal acht Jahre her, dass in Griechenland ein Wirtschaftsprofessor in Motorradkluft für Furore sorgte. In Italien regierte die Linke des über den Klee gelobten Matteo Renzi, in Spanien begab sich die korruptionsgebeutelte Volkspartei auf den absteigenden Ast, quasi als Vorbote für die sozialistische Ära Pedro Sánchez – und Yanis Varoufakis, Finanzminister der Regierung Tsipras, begeisterte die politische Linke von Athen bis Stockholm: ein „unorthodoxer Marxist“ (Selbstdefinition), der aufs Sparen pfiff und scheinbar den neuen Typ des Sozialdemokraten verkörperte.

Bei der Wahl am Sonntag verfehlte Varoufakis mit 2,5 Prozent der Stimmen den Einzug ins Parlament, sein früherer Chef Tsipras dümpelte bei weniger als 18 Prozent.

So schnell geht das mit den von aufgeregten (sozialen) Medien gehypten Superstars: Wo bunter Lack fehlende Substanz übertüncht, ist der Lack bald ab. Wo sind die „Piraten“, jene junge Internetpartei, die laut atemlosen Analysen die traditionelle Parteienlandschaft in Pension schicken sollten? Wo die Protest-„Fünf Sterne“ des Beppe Grillo, Komiker und Chef der vor fünf Jahren noch stimmenstärksten Partei Italiens (vom eitlen Matteo Renzi nicht zu reden)?

In Griechenland haben übrigens die Konservativen die absolute Mehrheit erobert, weil Premier Kyriakos Mitsotakis den Griechen wieder ein Selbstwertgefühl vermittelte. In Italien regiert ein Rechtsbündnis unter Giorgia Meloni, die zwar Postfaschistin ist, aber auf der nach oben offenen Orbánisierungsskala doch nicht so schlimm, wie von vielen an die Wand gemalt. Und in Spanien wird in einem Monat die sozialistische Regierung Sánchez von einem bürgerlichen Bündnis weggefegt.

Dazu kommt noch eine interessante Verschiebung: Im traditionell linken Skandinavien wird Finnland nun von einer konservativer Koalition (inklusive der rechtsrechten „Finnen“) regiert, Schweden von einer bürgerlichen Regierung (mit Unterstützung der nicht minder zweifelhaften „Schwedendemokraten“). Nimmt man noch Dänemark dazu, wo Sozialdemokraten so regieren, wie manche Rechtspopulisten anderswo gerne regieren würden, und glaubt man den Umfragen für die AfD in Deutschland (20 Prozent) als bald zweitstärkste Kraft, so ergibt sich das Bild: Europa ist in Zeiten von Krise, Krieg und Migration nach rechts gerückt.

Gleichzeitig kennt Europa diese sinuskurvenartige Verschiebung von links nach rechts und wieder retour seit jeher. Spätestens nächstes Jahr wählt Großbritannien, und da wird Labour die Konservativen wohl in Grund und Boden siegen. Maßgeblichen Anteil daran hat auch das Erbe eines großen Superstars und Scharlatans vor dem Herrn, Boris Johnson.

Vielleicht sollte man politische Superstars ebenso wie politisch-tektonische Wellen also a) mittel- bis langfristig und b) mit größerer Gelassenheit betrachten.

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