Wohl wahr, dass der Rüstungsdruck die damalige Sowjetunion wirtschaftlich in die Knie zwang und Gorbatschow Zeit seines Lebens ein „Getriebener“ war – aber ohne ihn hätte es ein Ende des Kalten Krieges nicht gegeben. Den Versuch von „Glasnost“ und „Perestroika“, von Offenheit und Umstrukturierung in der bald zerfallenden Sowjetunion, auch nicht.
Für die Erben des sowjetischen Sterns in Moskau war das Verrat an der russischen Erde, am Erbe der Zaren. Und der, der das von Beginn weg besonders schmerzhaft so empfand, sitzt heute im Kreml und führt Krieg: Wladimir Putin.
Viel wird dieser Tage spekuliert, ob der Umgang des Westens mit Putin falsch war. Ob er zu wenig eingebunden wurde in die post Mauerfall angestrebte „Neue Weltordnung“. Ob die NATO zu nah’ an Russland heranrückte und der Westen das Gorbatschow gegebene Keine-Erweiterung-Versprechen, das es so nie gab, brach. Das ist Unfug. Die Ex-Ostblockstaaten drängten aus Angst vor einem russischen Aggressor selbst unter den NATO-Schirm, aus gutem Grund, wie man sieht. Und Wladimir Putin, mit den Segnungen der Diktatur als kleiner Geheimdienst-Apparatschik in der DDR groß geworden, hat stets die Revanche für „die größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts“ im Blick gehabt, nicht die harmonische Koexistenz mit Europa und den USA.
Fest steht: Gorbatschow war ein Mann des Rüstungsabbaus, für sowjetische Verhältnisse ein Visionär. Der Westen hat seine eigene Vision von der neuen Welt nicht fertig gedacht – oder bedacht, dass nach Gorbatschow andere Visionen in Moskau Platz griffen. Der vermeintliche Raub des Sowjetreichs mithilfe Gorbatschows ist Ursache für das Ukraine-Drama. Das Blut klebt an den Händen Wladimir Putins. Er wird in den Geschichtsbüchern der Welt neben dem Friedensnobelpreisträger Gorbatschow zwar als Kriegsverbrecher firmieren. In den russischen dagegen neben dem Verräter Gorbatschow als Held. Darin liegt der unlösbare Knoten.
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