Good news, bad news

Good news, bad news
Die Rollenverteilung in der Regierung – ein schwebender Kanzler und ein Handwerker im Gesundheitsministerium – ist eine Gefahr für die Grünen

Es war Ende März, da glaubte Bundeskanzler Sebastian Kurz an die „Ruhe vor dem Sturm“ und sprach den viel kritisierten Satz aus: „Wir werden auch in Österreich bald die Situation haben, dass jeder irgendjemanden kennt, der an Corona gestorben ist.“

Gesundheitsminister Rudolf Anschober sprach da bereits vom „Licht am Ende des Tunnels“ – angesichts kurzfristig sinkender Neuinfektionszahlen. Beide Einschätzungen waren, na ja: falsch.

Nach sechs Monaten mit der Pandemie haben wir alle sehr viel über das neuartige Coronavirus gelernt, leiden in vielerlei Hinsicht unter dem scharfen Wirtschaftseinbruch und sehnen uns zurück nach der alten Normalität ohne Maske und Abstand.

Dieses Gefühl greift Kurz auf.

Auch er weiß und verschweigt nicht, wie hart der Herbst, der Schulbeginn mit Corona und die Wintermonate mit der gleichzeitig nächsten Grippewelle werden könnten. Aber er bedient sich nicht mehr der Angstmache, sondern versucht es jetzt mit Zuversicht.

Gleich zu Beginn seiner Corona-Erklärung sagte Kurz am Freitag: „Die gute Nachricht ist: Es gibt Licht am Ende des Tunnels.“ Und prophezeit für 2021: „Wir werden in absehbarer Zeit zur gewohnten Normalität zurückkehren können.“ Hoffentlich behält er dieses Mal recht.

Auffällig war neben dem adaptierten Wording auch ein anderer Aspekt in seiner rund 30-minütigen Rede: Hat es Kurz vor Corona geschafft, der FPÖ die Wähler mit der Politik gegen die „illegale Zuwanderung“ abspenstig zu machen, so fischt er jetzt im Teich der Grünen.

Bestimmt nicht zufällig baut der ÖVP-Chef in eine Corona-Rede den Klimawandel, die nötige Ökologisierung der Wirtschaft oder die Versorgung mit regionalen und saisonalen Produkten ein.

Bestimmt auch kein Zufall ist, dass Kurz die nationalen und internationalen Experten nennt, mit denen er spricht, die Sozialpartner einbindet oder den kritischen Diskurs mit einem „Philosophicum“ im Bundeskanzleramt fördern will.

Kurzum: Der Chef am Ballhausplatz gibt den Kanzler, der über allen anderen steht – oder fast schon schwebt.

Nur wenn es um mögliche Corona-Verschärfungen geht, schweigt sich der Profi-Kommunikator aus. Die heiklen Themen kommen erst am Mittwoch im ersten Ministerrat nach der politischen Sommerpause zur Sprache.

Die Grünen und insbesondere Anschober müssen daher aufpassen, dass sich nicht folgende Rollenaufteilung verfestigt: Sebastian Kurz gibt den Hellsichtigen mit grünem Anstrich, der die Österreicher in salbungsvollen Worten auf die freudige Zeit nach Corona einstimmt. Und Rudi Anschober darf derweil die Ampel auf Rot schalten, wieder Masken verteilen und nach und nach seine Verordnungen kübeln.

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