Gepflegter Sexismus in Paris

Polly Adler

Polly Adler

Bonjour, le sexisme! Was für eine Wohltat, nach den nervenden Brüderle-Debatten der Schwestern in der Metropole des entspannten Sexismus aufgeschlagen zu sein. Ehrensache, dass man am äußersten Rand des Rotlicht-Viertels, unweit der Rue Pigalle, wohnt. Neben Etablissements mit verheißungsvoll poetischen Namen wie „Dirty Dicks“ und „La vie en extase“ stehen Mütter mit ihren Kindern Schlange vor einem Märchentheater, wo ein Schauspiel über die Maus Celestine steigt. Es rührt die Pariser Mütter nicht im Geringsten, dass die aufgeregt schnatternden Fortpflänzchen mit dieser Art von Lotterleben konfrontiert werden. An allen Straßenecken wird geknutscht. Männer knallen ihren Frauen mit der flachen Hand auf den Hintern und keine Gleichstellungsbeauftragte springt deswegen mit durchgeknallten Sicherungen aus dem Gebüsch. Die Gemüsehändler auf dem Markt um die Bastille schleudern jedem verkauften Salat eine Kompliment-Salve hinterher, durch die meine Würde als Frau aufpoliert und nicht gekratzt wird. Die Müllmänner zwinkern. Die Kellner in der „Coupole“ flüstern: „Nehmen Sie die Crème brûlée, wenn Sie den Himmel atmen hören wollen.“ Aber ja, natürlich werden hier Klischeetänze veranstaltet, bis le docteur arrive. Aber wenn man aus einem Land kommt, das einem flirtativen Trockengebiet gleich kommt und die Herren der Schöpfung vor allem solche der Erschöpfung sind, freut man sich, dass es Orte gibt, in denen erotische Bluttemperatur Teil der Alltagskultur ist. Frei von diesem elenden Tugendgetadle. Und ganz nebenbei: Die größten Feministinnen waren Französinnen. Aber dabei immer hervorragend gekleidet. Madame Beauvoir verließ ihre Wohnung nie ohne Lippenrot und Eins-a-Schuhwerk. Sie hatte jede Menge junge Liebhaber, die sie voll Hingabe als Objekte missbrauchte. Und allen gefiel’s.

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