Zweite digitale Revolution: Der Affe auf dem Schreibtisch

Group of business persons talking in the office.
Wir brauchen eine neue Art von Führungskräften. Ein Gastkommentar von Daniel Dettling.

Erinnern Sie sich noch an die Zeit der New Economy am Ende des letzten und zu Beginn des neuen Jahrhunderts? Informationen, Kreativität und Wissen treten, so die Grundannahme, an die Stelle von Gütern, Industrie und Kapital. In der kreativen Ökonomie gehe es um den Wettbewerb der Ideen und Inhalte, um immaterielle Werte; physische Arbeitsprozesse und Absatzkanäle würden durch digitale Prozesse überlagert bzw. ersetzt. Wo die Güter der alten Ökonomie wie Rohstoffe ihren Wert durch ihre Knappheit bestimmten, bestimmen die Güter der neuen Ökonomie ihren Wert durch Zugänge und Netzwerke. Bedingung der neuen Wirtschaft war der rasche Zugriff auf Ideen, Güter und Dienstleistungen.

Zweite digitale Revolution: Der Affe auf dem Schreibtisch

Daniel Dettling

Die Blase platzte bereits nach wenigen Jahren. Auch weil ihr das Wichtigste fehlte: überall gleichzeitig verfügbare Kommunikationsmittel. Heute hat nahezu jeder Mensch auf der Welt Zugang zu Internet, Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz. Kaum jemand spricht noch von der „neuen“ Ökonomie; sie ist längst Alltag. Die digitale Revolution ist eine Stufe weiter. Und damit auch der kulturelle Wandel. Die allermeisten Führungskräfte glauben, dass KI und Daten ihr Unternehmen verändern werden; die wenigsten aber wissen, wie. Maschinelles Lernen, ChatCPT und Cloud sind zunehmend im Einsatz, ihr Sinn erschließt sich den meisten Unternehmen bislang nicht. Wenn Routineaufgaben an die KI ausgelagert werden, haben wir alle mehr Zeit für komplexe und kreative Arbeit. Arbeit, so die Hoffnung, wird sinnvoller.

Unternehmen, die mit ihren Mitarbeitenden viel testen und lernen, werden schneller wachsen. Sie entwickeln eine „Kultur des Trial and Error“ und wissen, dass Irrtümer oft die besten Investitionen sind. Es geht um eine Kultur, in der Menschen offen zugeben können, welche Fehler sie gemacht haben. Aus Chefs werden fehlerfreundliche Meistermacher.

Wie wäre es mit: Wer den kreativsten Fehler macht, gewinnt das Spiel der Woche und darf sich eine Woche den Affen auf den Schreibtisch legen? Jeder Mitarbeiter hat mindestens ein verborgenes Talent und Potenzial. Benjamin Bloom, US-Psychologe und Erziehungswissenschaftler, untersuchte Menschen, die es später zu Weltklassesportlern, -musikern und -künstlern brachten. Das Ergebnis: Begabung allein macht keinen Meister oder Experten. Nur wer über Jahre bereit ist, an sich und seinen Fähigkeiten zu arbeiten, hat die Chance, weit zu kommen. Das Entwickeln von Expertise erfordert Lehrer und Coachs,

die konstruktives, aber auch schmerzvolles Feedback geben. Niemand wird als Genie oder Meister geboren. Wir haben es aber in der Hand, zu Experten auf unserem Gebiet zu werden.

25 Jahre nach Platzen der New Economy haben wir mehr Instrumente und mehr Wissen darüber, wie wir in einer dezentralen Welt zurecht- und vorankommen können. Was wir brauchen, sind Führungskräfte, die ein konstruktives Verhältnis zu Fehlern haben und mehr Zeit. Die besten Sportler brauchen zehn Jahre oder 10.000 Stunden Training, bevor sie internationale Bewerbe gewinnen. Es geht um Übung, Gelegenheit und Glück. Und um Unternehmen, die dafür Zeit und Räume zur Verfügung stellen.

Daniel Dettling ist Zukunftsforscher und leitet das von ihm gegründete Institut für Zukunftspolitik   

Kommentare