Wollt ihr wirklich mehr Bahn in Europa? ÖBB-Chef antwortet

Wollt ihr wirklich mehr Bahn in Europa? ÖBB-Chef antwortet
Die ÖBB sind (u. a. in einem KURIER-Gastkommentar) Vorwürfen ausgesetzt. Eine Replik von Bundesbahnenchef Andreas Matthä.

Vor einer Woche stand an dieser Stelle ein Gastkommentar mit dem Titel „Der Bundesbahnblues“. Ich kann nicht anders, als darauf zu reagieren, auch weil ich den Helmut Qualtinger so liebe. Und wie einst der im Bundesbahnblues besungene Louis Armstrong am Bahnhof, dürfte sich der Kommentator im eigenen Klagelied ein wenig verloren haben. Ich möchte gerne Orientierung geben:

  • Für die strategische Infrastrukturplanung ist das Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) und nicht, wie behauptet, die Österreichischen Bundesbahnen federführend verantwortlich. Das neue „Zielnetz 2040“ wurde erst im Jänner vorgestellt und soll nächste Woche in einem Konsultationsprozess u. a. mit den Bundesländern abgestimmt werden. Der weitere Weg führt in den Ministerrat, wo es beschlossen werden muss. Für diesen integrativen und vorausschauenden Prozess beneiden uns übrigens andere Länder, weil auch bei der Konzeption neben ÖBB-Experten eine Reihe unabhängiger Ingenieurbüros ihre Expertise einbringen.
Wollt ihr wirklich mehr Bahn in Europa? ÖBB-Chef antwortet

Andreas Matthä

 

  • Zu den erwähnten 3,5 Milliarden Euro aus dem Steuertopf, die in der Beschreibung so wirken, als würden sie bei freier Fahrt aus dem Railjet geworfen werden, ist anzumerken, dass mehr als 3 Milliarden Euro davon in Gleise, Bahnhöfe und Tunnel verbaut werden. Der ÖBB-Personenverkehr selbst ist nicht subventioniert, sondern seine Fahrten von Bund und Land bestellt, so wie die von einem Dutzend anderer Bahnunternehmen.
     
  • Neue Zugbestellungen werden über den Kapitalmarkt finanziert und nach strengen Regeln ausgeschrieben. Um uns diese Investitionen auch leisten zu können, müssen die ÖBB profitabel wirtschaften.
     
  • Die Flotte der ÖBB besteht aus Lokomotiven und Wagen verschiedener Hersteller. Lieferverzögerungen gibt es da leider nicht nur beim erwähnten Produzenten.

 

  • Dass wir in Europa einen Fleckerlteppich an technischen Standards und Regularien haben, ist leider evident. Als Beispiel dafür aber die Verbindung Wien–Bratislava anzuführen, ist absurd. Mit der Marchegger Ostbahn und dem Ast Kittsee gibt es zwei Verbindungen – eine nördlich und eine südlich der Donau. Vom Wiener Hauptbahnhof fahren stündlich REX-Züge nach Bratislava und bis Ende 2024 wird die Marchegger Ostbahn zweigleisig ausgebaut und elektrifiziert. Für eine durchgebundene Verbindung ins Ausland braucht es dann aber wirklich eine pan-europäische Entscheidung.

Der Unternehmer Peter Schneyder beendet seinen Gastkommentar im KURIER mit dem Aufruf zu mehr Mut. Dem schließe ich mich, den Konsens mit ihm suchend, vollinhaltlich an: Habt also mehr Mut, liebe Österreicherinnen und Österreicher. Europa braucht mehr Bahn und die Bahnen mehr Europa!
 

Andreas Matthä hat seine Karriere bei den ÖBB 1982 als Brückenbauer angefangen. Seit 2016 ist er ihr Vorstandsvorsitzender und seit 2020 Präsident der Gemeinschaft der europäischen Bahnen (CER).

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