Wohin wir wollen, sollte entscheiden

Wohin wir wollen, sollte entscheiden
Wir müssen nach vorn blicken, statt in der Krise zu verharren

Es ist gut wenn wir unsere Interessen vertreten, aber nicht die gestrigen, sondern die zukünftigen. Und wir wissen, dass es besser ist, andere einzubinden, daheim und in der Nachbarschaft.

Beispiel Klimapolitik: Wir spüren den Klimawandel täglich, das Wetter ist anders, das Wasser wird tendenziell weniger oder kommt in Stürmen und Fluten. Das haben wir begonnen zu akzeptieren.

Aber Österreich war schon länger kein Vorreiter mehr, obwohl wir gute Technologie besitzen und die Industrie hier viel forscht. Und wenn die Preise steigen, verlangt immer jemand einen halben Schritt zurück. Die Bahn etwa ist mit Tunnelbau mehr beschäftigt als mit der nötigen Ausweitung der Sitzplätze und dem Anschluss an den Bahnhöfen.

Die Straßen werden kräftig ausgebaut, die Ladestationen für E-Autos hingegen zögerlicher, Flüge und Schiffe erzeugen Emission, ohne dafür zu zahlen. In den USA stockt die Klimapolitik trotz eines Präsidenten, der sie unterstützt. Schiffe die Solarpaneele herbeischaffen, müssten eine US-Besatzung haben, Genehmigungen werden durch gezielte Fragen verzögert, ob der Konkurrent wirklich die Importzölle gezahlt habe (vgl. Economist, 21. Mai), Lieferketten werden unterbrochen.

Die österreichische Industrie verhindert die eigene Führungsrolle durch Bremsen bei Klimapolitik; zumindest in einem internen Papier, aber auch das ist erhellend und falsch. Die CO2-Abgabe sollte aufgeschoben werden, verlangen andere Wirtschaftsvertreter. Steuern auf Benzin und Diesel werden in manchen Ländern gesenkt, statt Anreize wirken zu lassen und nur für die Schwächsten einen Ausgleich zu erstatten.

Reserven aufbauen, Marshallplan

Wenn der Ukraine-Krieg zeigt, wie wenig voll unsere Speicher sind, werden das Ende der Neutralität diskutiert und höhere Militärausgaben verlangt, statt leere Spitäler zu schließen und Flugshows abzusagen (odergar auf einen Wiederaufbau mit einem Marshallplan für die Ukraine zu pochen). All das als neutrales Land, das die Friedensmission der EU forciert.

Wenn Weizenimporte aus Ukraine und Russland schwieriger werden, werden neue Subventionen für die Landwirtschaft Europas verlangt, nicht Unterstützung für Hungernde in Afrika. Wenn wir das Tierwohl berücksichtigen, verlieren unsere Bauern ihre Konkurrenzfähigkeit, sagt der Minister.

Wir stehen vor einer neuen Weltordnung, Russland wird sie sicher nicht dominieren, auch die Amerikaner und Chinesen nicht. Das wäre eine Chance für Europa, gemeinsam mit unseren Nachbarn. Dafür müssen wir – und da kann Österreich einen Beitrag liefern – die zukünftigen Probleme lösen, nicht immer einen haben Schritt zurückgehen.

Neutral, engagiert und innovativ, und als Leitbild für andere, nicht zurück und auf Wahlergebnisse schielend.

Karl Aiginger ist ehemaliger Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts WIFO. Er leitet die Europaplattform Wien Brüssel.

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