Zum 1. Mai: Wer sind die sozial Schwachen?

Anton Pelinka ist Politologe und intimer Kenner der SPÖ
Der SPÖ ist die Fähigkeit, die Sprache der Unterprivilegierten zu sprechen, abhanden gekommen. Sie sollte sich auch mehr um die Rechte von Zugewanderten kümmern.

Die SPÖ war einmal eine Partei, die in Österreich – anders als anderswo – ein Monopol auf die politische Linke hatte. In Frankreich und Italien waren kommunistische Parteien lange Zeit erfolgreicher als die Parteien des demokratischen Sozialismus. Während in der Ersten Republik die Sozialdemokratische Partei die einzige relevante Kraft der Linken in Österreich war, führte die KPÖ ein Schattendasein.

Das sollte sich auch nach 1945 nicht ändern: Die KPÖ, der im antinazistischen Widerstand eine bedeutende Rolle zukam, verspielte diese nach der Befreiung – weil sie zu sehr mit der Sowjetunion und den Verbrechen des Stalinismus identifiziert wurde. 1959 flog die bereits geschrumpfte KPÖ aus dem Nationalrat. Erst nach der Jahrtausendwende machten KommunistInnen wieder von sich reden. In der steirischen und jetzt auch Salzburger Peripherie schien die tot geglaubte KPÖ neues Leben zu gewinnen. Verliert die SPÖ nun auch auf Bundesebene ihr Monopol innerhalb der Linken?

Zum 1. Mai: Wer sind die sozial Schwachen?

Der Aufmarsch am 1. Mai ist traditionell ein Stimmungstest für die SPÖ

Die KPÖ hat ihre jüngsten regionalen Erfolge sicherlich nicht wegen, sondern trotz ihres Namens erzielt. Die KPÖ in Graz und Salzburg hat mit der persönlichen Glaubwürdigkeit ihrer KandidatInnen gepunktet. Das ist natürlich eine Lehre für die SPÖ. Ihr ist die Fähigkeit, die Sprache der sozial Schwachen zu sprechen, weitgehend abhandengekommen. Abgelenkt von internen Querelen gelingt es der Sozialdemokratie immer weniger, von denen, die sich als die Verlierer der gesellschaftlichen Entwicklung sehen, als wirksame Vertretung wahrgenommen zu werden.

Doch das ist nicht einfach nur der Abgehobenheit derer zuzuschreiben, die an der Spitze stehen. Denn in Österreich fehlt es an einem Konsens, wer denn überhaupt die sozial Schwachen sind, an deren Interessen sich die SPÖ orientieren könnte, um ein weiteres Wachstum der KPÖ oder Spaltungstendenzen (die Abspaltung des „linken“ Parteiflügels) zu verhindern.

Die SPÖ hat zugelassen, dass Hunderttausende zwar hier steuerpflichtig und generell den Gesetzen unterworfen sind, die aber – weil nicht im Besitz der Staatsbürgerschaft – vom Wahlrecht ausgeschlossen bleiben. Wegen dieses Zustandes können „unsere“ Bedürftigen und die Zugewanderten (und ihre Kinder) gegeneinander ausgespielt werden – das ist das Rezept eines „rechten“, nationalen Populismus. An diesem Zustand wird eine bloß auf Länderebene erfolgreiche KPÖ nichts ändern können, weil man nur als Teil einer regierenden Mehrheit des Nationalrates gestalten kann.

Doch eine nach überstandenen internen Querelen wieder regierungsfähige SPÖ könnte die Erleichterung des Zuganges zur Staatsbürgerschaft zu einem zentralen Programmpunkt machen – in Übereinstimmung mit ihrer internationalen Tradition und den Interessen der Republik, die durch den Ausschluss Hunderttausender von der politischen Mitbestimmung in ihrer Stabilität gefährdet wird.

Anton Pelinka ist Politologe und intimer Kenner der SPÖ

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