Was in der Schule eigentlich möglich wäre

Was in der Schule eigentlich möglich wäre
Plötzlich ist Mehrsprachigkeit eine Ressource?

Mit dem Schuljahr 2018/19 wurde das Modell der Deutschförderklassen eingeführt, das frühere Maßnahmen zur Deutschförderung ohne deren Evaluation ablöste. Die Zuteilung der Schüler*innen erfolgt mittels eines eigens entwickelten Tests, dem MIKA-D (Messinstrument zur Kompetenzanalyse – Deutsch). Von Beginn an wurde sowohl vonseiten der Forschung als auch der Schulpraxis Kritik am Modell der Deutschförderklassen und am MIKA-D geübt. Die langjährige Erfahrung von Lehrer*innen und Schulleiter*innen sowie Ergebnisse nationaler und internationaler Forschung zur Sprachförderung wurden ignoriert.

Durch den Krieg in der Ukraine und die vielen Schüler*innen, die mit ihren Familien nach Österreich flüchteten, rückt das Thema wieder in den medialen Fokus.

Ich lese, dass Schüler*innen aus der Ukraine meist gemeinsam mit Gleichaltrigen, seltener in bestehenden Deutschförderklassen unterrichtet werden. Ich lese, dass sie ja auch ohne Deutschkenntnisse Mathematik lernen können, weil Englisch unterstützend eingesetzt werden kann. Zu Beginn des Krieges wurde Rassismus besonders sichtbar. Der unterschiedliche Umgang mit weißen Ukrainer*innen auf der Flucht war schwer zu ignorieren und auszuhalten. Am Beispiel der ukrainischen Schüler*innen wird Rassismus im österreichischen Bildungssystem deutlich. Kinder könnten auch mithilfe von Arabisch, BKS, Türkisch oder weitere ebenfalls Mathematik lernen. Kinder sollten grundsätzlich gemeinsam, miteinander und voneinander lernen. Die Aufgabe des Bildungsministeriums wäre es, die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen. Für alle Kinder. Aber so funktioniert Rassismus eben: Wenn du die „falsche“ Sprache, die „falsche“ Herkunft hast, bist du in den Augen der Bildungspolitik kein Kind mit Talenten, sondern ein (Deutsch-)Defizit!

Wenn es um Deutschförderklassen geht, herrscht eine Atmosphäre der Angst unter vielen Eltern. Schule als Institution und die österreichische Bildungspolitik im Allgemeinen sind für sie kein Kooperationspartner, sondern ein Angstgegner. Ich möchte ukrainischen Kindern nichts wegnehmen. Im Gegenteil: Ich begrüße die Maßnahmen. Sie sollten natürlich gemeinsam mit der Klasse lernen und zusätzlich Deutschförderung erhalten. Ich kritisiere den rassistischen Kontext, weil ich das für alle Schüler*innen möchte.

Beiträge und Artikel über Deutschförderklassen sind besonders frustrierend, weil sie immer nach dem gleichen Schema aufgebaut sind: In Beiträgen kommen in der Regel Schulleitungen und Lehrpersonen zu Wort, die teilweise heftige Kritik üben. Danach bekommen Stimmen aus der Forschung einen Raum, die ebenfalls vehement kritisieren. Und im letzten Absatz wird dann meist das Bildungsministerium zitiert, das keinen Bedarf sieht, etwas zu ändern. Manchmal will ich einfach nur schreien!

Ali Dönmez ist Logopäde, Experte im Bereich Mehrsprachigkeit und Initiator der Petition #LasstKinderGemeinsamLernen.

Kommentare