Warum wir eine Bildungswende brauchen

Warum wir eine Bildungswende brauchen
Auch die Unternehmen sehen dies mittlerweile als dringlichstes Thema

Wir haben uns als Gesellschaft in den letzten Jahren mehr oder weniger darauf geeinigt, dass wir eine konsequente Energiewende brauchen: Nicht eine Reduktion der fossilen Brennstoffe um ein paar Prozentpunkte, sondern ihren vollständigen Ersatz durch erneuerbare Energie. Die Angst vor dem Klimakollaps hat uns dazu gebracht.

In der Bildung erhitzen sich die Gemüter seit vielen Jahren ähnlich wie sich unsere Atmosphäre erwärmt. Etwa darüber, dass in Österreich in allen Schulbereichen deutlich mehr Geld pro Schüler ausgegeben wird als im Schnitt aller 35 reichen OECD-Länder.

Wir geben jedes Jahr noch mehr öffentliches Geld für Bildung aus, und trotzdem kann beispielsweise jede/r vierte Fünfzehnjährige nicht sinnerfassend lesen. Mit einer weiteren Bildungsreform wird man das nicht beheben. Reparaturen am System helfen längst nicht mehr, sondern nur der vollständige Ersatz der fossilen Bildung durch erneuerbare Bildung.

Die öffentlichen Schulsysteme wurden in einer Zeit aufgesetzt, in der ganz andere Voraussetzungen als heute galten. So war beispielsweise das Wissen in Büchern und in Lehrpersonen kumuliert. Diese hatten in ihrem jeweiligen „Fach“ einen Wissensvorsprung vor den Schülern, also machte es Sinn, den Lehrstoff in Fächern durch vorne stehende Lehrpersonen zu vermitteln. Spätestens seit der Einführung des Smartphone ist der Wissensvorsprung weg. Wissen ist immer und überall verfügbar – und nicht nach Fächern eingeteilt.

Unser Know-how und die technischen Hilfsmittel für die Generierung, die Vermittlung, den Erwerb und die Speicherung von Wissen – und Bildung – haben sich rasant weiterentwickelt. Mit den sozialen Medien kam noch viel Halbwissen dazu. Nichts deutet darauf hin, dass der Wandel jetzt vorbei ist und wir unser Bildungssystem in den nächsten Jahrzehnten in aller Ruhe anpassen können. Nein, wir müssen ein lebensfähiges, bewegliches System schaffen, das im Gleichschritt mit dem ständigen Wandel agiert, das die jungen Menschen auf die erfolgreiche Bewältigung des volatilen Umfelds fit macht, das sie unter anderem für Berufe fit macht, die wir heute noch gar nicht kennen.

Natürlich auch für die Berufe, die wir jetzt haben und kennen: Die Unternehmen stellen dem Schulsystem inzwischen keine guten Noten mehr aus. Beim Austrian Business Check des Kreditschutzverbands ist „Modernisierung und praxisnahe Ausrichtung des Schul- bzw. Bildungssystems“ heuer erstmals auf Platz 1 der Forderungen der befragten UnternehmerInnen an die Bundesregierung.

Bildung hat damit die Dauerbrenner Steuerentlastung, Bürokratieabbau und Senkung der Lohnnebenkosten abgelöst. Es wird bei Nichtstun einen Klimakollaps geben, aber keinen Bildungskollaps. Deswegen wird die Energiewende vollzogen und die Bildungswende eher nicht. Und unsere Kinder werden uns zu Recht irgendwann fragen, was wir uns eigentlich dabei gedacht haben.

Walter Emberger ist Gründer von Teach For Austria.

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