Warum ist Cybermobbing nicht EU-weit strafbar?

Lukas Mandl
Dieser Tyrannei muss ein Ende gesetzt werden. Ein Gastkommentar der EU-Abgeordneten Lukas Mandl (Bild) und Frances Fitzgerald.

Das Handy leuchtet auf und einem wird übel. Der kleine Bildschirm, der einst Freude beschert hat, strahlt jetzt puren Hass aus. Gefälschte intime Bilder verhöhnen. Hämische Worte treffen Herz und Seele. Es werden Drohungen ausgesprochen. Direktnachrichten voller Drohungen häufen sich, die sofort wieder verschwinden.

Diese brutale Verfolgung nennen wir Cybermobbing. Dabei handelt es sich um regelrechte Gewalt, die etwa die Hälfte der jungen Menschen in der EU betrifft. Eine Studie der Universität Swansea in Wales hat ergeben, dass junge Opfer von Cybermobbing „mehr als doppelt so häufig zu Selbstverletzungen und suizidalem Verhalten neigen.“ Nicole Fox aus Dublin in Irland, liebevoll „Coco“ genannt, war eine dieser jungen Menschen. Ihre Mutter Jackie hat sich in unser aller Namen für den Schutz aller Kinder und Jugendlichen eingesetzt. Das Ergebnis, der „Harassment, Harmful Communications and Related Offences Act 2020“, wurde in Irland im Februar 2021 verabschiedet. Das sogenannte „Coco Gesetz“ ergänzt die bestehenden irischen Rechtsvorschriften, die die Verbreitung von sexuell eindeutigen Inhalten mit Personen unter 18 Jahren verbieten. Es schafft neue Straftatbestände, die sich unmittelbar auf die Erfahrungen junger Menschen beziehen. Es sieht hohe Geldstrafen und beträchtliche Freiheitsstrafen vor. Vor allem aber zeigt es, dass in den demokratisch legitimierten Entscheidungsgremien verstanden wird, wie sich Cybermobbing für die Opfer anfühlt. Seit Inkrafttreten des Gesetzes hat die irische Polizei mehr als 70 Strafverfolgungen im Zusammenhang mit dem Missbrauch von Intimbildern eingeleitet, und auch andere Mitgliedsstaaten sind aktiv. In Österreich ist Cybermobbing seit 2016 ein eigener Straftatbestand, der mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr bewehrt ist. Wenn die Folge ein Suizid oder ein Suizidversuch ist, beträgt der Strafrahmen bis zu drei Jahren. Was die Mitgliedsstaaten tun können, reicht aber noch nicht aus. Nur wenn wir EU-weit gegen Cybermobbing vorgehen, werden wir der Herausforderung gerecht. Es braucht einen EU-weiten Ansatz, der Cybermobbing eindeutig als strafrechtlichen Tatbestand definiert. Dieser wird zeigen, dass die EU-Politik an der Seite der jungen Menschen steht.

Können wir es uns leisten, zu warten? Fragen wir Jackie Fox, die ihre Tochter verloren hat. Fragen wir alle Eltern, deren Kinder Opfer von Mobbing geworden sind.

Wenn wir das nächste Mal einen jungen Menschen sehen, der auf sein Handy schaut und zusammenzuckt, können wir uns fragen: Haben wir in unseren Gesellschaften und auch auf EU-Ebene genug getan, um alle jungen Menschen vor Cybergewalt zu schützen? Im Moment lautet die Antwort nein. Tun wir daher jetzt etwas, um dieser Tyrannei Herr zu werden.

Frances Fitzgerald und Lukas Mandl sind Europaabgeordnete (EVP) aus Irland beziehungsweise Österreich

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