Warum ich Wahlarzt bin

Warum ich Wahlarzt bin
Wahlärzte sind eine Folge des maroden Kassensystems – und nicht die Ursache. Ein Gastkommentar von Gernot Mayer.

2006 habe ich meine dermatologische Wahlarztordination eröffnet. Es war von Anfang an die Idee, hauptberuflich Wahlarzt zu sein. 2008 wurde eine Kassenstelle frei und ich war der einzige Bewerber. Es wurden seitens der ÖGK und der Ärztekammer folgende Bedingungen gestellt: Schließung meiner Wahlarztordination, Verlegung der neu errichteten Ordination in einen anderen Stadtteil, eine Ablösesumme von 70.000 Euro an die Vorgängerin, Weiterbeschäftigung des Personals mit einem Jahr Kündigungsverbot, obwohl ich eigenes Personal hatte. Aus diesen Gründen bin ich Wahlarzt. Drei weitere Kassenstellen wurden in den Jahren darauf ausgeschrieben, ich habe mich nie wieder beworben.

Warum auch? Ich hatte als Wahlarzt viel Arbeit, mehr als bewältigbar war. Nach nun 17 Jahren staune ich immer noch über die Vorstellungen betreffend Wahlärzte. Viele glauben, dass sich meine Patienten aus den oberen zehntausend rekrutieren, die sich nicht zum gemeinen Volk ins Wartezimmer setzen wollen. Ja, die gibt es, aber die überwiegende Mehrheit sind Menschen, die mich brauchen, obwohl sie sich einen Wahlarzt gar nicht leisten können oder wollen. Ich habe 5.000 Patientenkontakte im Jahr. Weil die nachgefragten Leistungen im öffentlichen System nicht mehr angeboten werden.

Es wird z. B. im Kassenbereich kaum mehr operiert, weil die Tarife nicht mit den gestiegenen Anforderungen an Investitionen erhöht wurden. Wenn ein Arzt einige Jahre nicht operiert, verliert er diese Kompetenz. Kassenärzte sind aufgrund der ihnen aufgezwungenen Honorargestaltung dazu verdammt, eine hohe Patientenfrequenz durchzuschleusen. Sie bieten aus diesem Grund vielfach keine Leistungen mehr an, denen eine aufwendige Aufklärung vorangeht.

Viele meinen, dass Wahlärzte hauptsächlich Botox spritzen und lasern. Meine Tätigkeit betrifft aber zu zirka 80 Prozent schulmedizinische Dermatologie. Kurz: die ÖGK kauft bei Wahlärzten Leistungen ein, die sie nicht im öffentlichen System anbieten. Dies zudem um 20 Prozent billiger, da unsere Patienten ja nur 80 Prozent des Kassentarifs rückerstattet bekommen. Begründet wird dies mit einem erhöhten administrativen Aufwand für die ÖGK. Diese Administration will die ÖGK nun auf uns Wahlärzte abwälzen. Kooperation gerne, dann müsste aber eine Besserstellung für unsere Patienten folgen.

Wir Wahlärzte sind Folge des maroden Kassensystems und nicht die Ursache. Jeder Wahlarztpatient entlastet zudem das öffentliche System. Da das Kassensystem mittlerweile kaputt ist, gehe ich davon aus, dass viele Wahlärzte im Falle drohender Zwangsmaßnahmen als Privatärzte weitermachen werden. Das Kassensystem verbessert man dadurch nicht, aber man verärgert die Wahlarztpatienten. Vielleicht könnte es ja mal einen Dialog zwischen ÖGK und Wahlärzten auf Augenhöhe geben, aber jetzt werde ich romantisch…

Gernot Mayer ist Facharzt für Dermatologie in Steyr (OÖ)

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