Warum die Steuerreform ein beachtlicher Wurf ist
Kaum hatte die Regierung die nach intensiven Verhandlungen erzielte Einigung über eine Steuerreform bekannt gegeben, erhoben die Kritiker wie gewohnt ihre Stimme. Ja, das österreichische Abgabensystem ist aus historischen Gründen schräg. Gemeinden oder Kammern mit lohnabhängigen Abgaben zu finanzieren, die der Arbeitgeber vom Bruttolohn zu bemessen hat, das gibt’s in keinem anderen Staat.
Wir stecken immer noch in einem Verfassungssystem, welches durch einen politischen Kompromiss im Jahre 1920 zustande kam. Jüngst hat der Steuerexperte der Arbeiterkammer in der Presse gemeint, die Regierung solle sich ein Beispiel an Dänemark nehmen, weil es dort eine höhere Grundsteuer und eine Erbschafts- und Schenkungssteuer, also mehr vermögensabhängige Abgaben gäbe. Das Staatssystem wollte er nicht übernehmen. Dort gibt es keine föderalen Einheiten wie Länder, keine Selbstverwaltungen wie Kammern oder Sozialversicherungsträger, nur 98 Gemeinden, aber auch keine lohnabhängigen Abgaben. Wir müssen uns daher mit dem bescheiden, was bei uns möglich ist. Die Reduzierung der Steuersätze für die Tarifstufe II (von 35 % auf 30 %) und III (von 42 % auf 40 %) ist ein Ausgleich für die fehlende automatische Anpassung, um die sogenannte „kalte Progression“ zu mildern. Die geforderten automatischen Anpassungen der Tarifstufen wie in der Schweiz oder in den USA vorgesehen, werden nie kommen. Niedriglöhne bis rund 18.000 Euro brutto pro Jahr werden in Österreich gar nicht mit Steuern belastet. Die Senkung der Krankenversicherungsbeiträge für die niedrigen Einkommen, bis 2.600 Euro, ist folglich die einzig mögliche Maßnahme einer Entlastung.
Die Erhöhung des Familienbonus auf 2.000 Euro pro Kind und Jahr ist eine notwendige Anpassung, weil hierzulande dem Staat Kinder in der Sozialhilfe mehr wert sind als in Erwerbs-Haushalten (3.076,20 Euro in Wien), ein wirkliches Unding und sozialistisches Erbe. Die Senkung der Körperschaftsteuer auf 23 Prozent wird heftig kritisiert, weil dies angeblich ein Geschenk an die Konzerne wäre. Allen Kritikern sei entgegengehalten: Das Halten von Konzernspitzen in Österreich ist vor dem Hintergrund, dass das Weltbesteuerungssystem geändert wird (Mindeststeuer), ein großer Vorteil. Die Kritik, dass die Lohnnebenkosten nicht gesenkt werden, ist bei Arbeitgeberkosten von 37 Mrd. im Jahr (2019) gerechtfertigt. Österreich ist aus diesem Blickwinkel kein wettbewerbsfähiger Unternehmensstandort. Die Umstellung auf eine Bepreisung der fossilen Energieträger wie auf Gas und Treibstoffe ist ein richtiger Schritt. Auch der Ansatz ein System zu wählen, das dem in der EU bereits bestehenden Cap & Trade Prinzip (ETS, Emission Trading System) folgt, anstelle die Energiesteuern zu erhöhen, ist richtig, weil damit vermieden wird, dass es parallele Systeme für die Unternehmen gibt. Die Kritik am Einstiegspreis von 30 Euro ist unverständlich, weil Österreich ohnehin bereits rund 9 Mrd. an Umweltsteuern einhebt.
Gottfried Schellmann ist Steuerberater und Wirtschaftsexperte.
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