Wahl der vergebenen Chancen

Wahl der vergebenen Chancen
Schon vor 40 Jahren hätte die ÖVP eine Wende versuchen können. Ein Gastkommentar von Johannes Schönner.

Mit der Nationalratswahl am 24. April 1983 endete vor 40 Jahren eine Epoche, die in der politischen Geschichte Österreichs eine Dominanz zum Ausdruck brachte, die bis dahin unbekannt war. Nach 13 Jahren sozialdemokratischer absoluter Alleinregierung gelang es einer müden und kraftlosen Regierungspartei und einem kranken Kreisky nicht mehr, ein Wahlergebnis zu erreichen, das ein Regieren ohne Partner zuließ.

Nach drei Nationalratswahlen, die der SPÖ als alleinregierende Partei die Chance gab, das Land von Grund auf zu verändern, verlor sie im Jahre 1983 das absolute Vertrauen der Bevölkerung. Themen wie die Besteuerung des 13. und 14. Monatsgehaltes, neue Grünbewegungen, das Konferenzzentrum und die Verschuldung Österreichs in bislang unbekannten Dimensionen führten zur Schwächung der SPÖ. Tat sich hier ein Mondfenster für die österreichische Christdemokratie auf?

Die Nationalratswahl am 24. April 1983 brachte ein Ergebnis, das mehrere Interpretationen, aber auch Möglichkeiten zuließ: SPÖ (90 Mandate, - 5), ÖVP (81, +4) und FPÖ (12, +1). Kreisky trat noch am Wahlabend zurück, und sein Nachfolger wurde kurz darauf der langjährige Unterrichtsminister Sinowatz. Den Sozialdemokraten erschien alles besser als die Konservativen wieder an Schalthebeln zu lassen. In diesem Moment, den Tagen nach der Wahl, zögerte die Volkspartei. Gerade die liberalen Landespolitiker Busek, Krainer und Kessler traten im Parteivorstand vehement für ein Verbleiben in Opposition ein bzw. dachten bei einer Regierungsbeteiligung eher an eine Koalition mit der SPÖ. Haslauer sen. war dazu vollkommen konträr, und er argumentierte für Verhandlungen mit der FPÖ. Es wäre mit der FPÖ nur eine dünne Mehrheit gewesen, doch dieser Koalition wäre eine Bezeichnung „bürgerlicher Schulterschluss“ nicht schwergefallen. Haider hätte als Kärntner FPÖ-Obmann seine spätere Stimmungsmache gegen seinen Parteiobmann Steger in ein anderes Gewand kleiden müssen.

Alois Mock erwies sich nach der Wahl 1986 – als die Karten in der FPÖ neu gemischt worden waren und Vranitzky, seit 1985 Nachfolger von Sinowatz, die FPÖ vor die Türe setzte – als glaubwürdiger Sympathisant von Schwarz-Blau. Die Liberalen in der FPÖ hatten jedoch 1983 auf eine Zusammenarbeit mit der SPÖ und somit auf eine Fortsetzung sozialistischer Politik gesetzt. Tatsache war, dass es der SPÖ noch bis 1999, also 16 Jahre nach Kreiskys Rücktritt, gelang, als Kanzlerpartei die Fäden zu ziehen. Die sozialdemokratische Schlagseite bestand weiterhin und brachte eine linke Kontinuität für eine weitere Generation.

Die Chance einer Veränderung wurde vor 40 Jahren nicht ergriffen. Weder von der ÖVP noch von der FPÖ. Beide Parteien gefielen sich als Juniorpartner einer sozialistisch dominierten Bundesregierung.

Johannes Schönner ist Geschäftsführer des ÖVP-nahen Karl von Vogelsang-Instituts

Kommentare