Visionärer Konservativismus

Visionärer Konservativismus
Bürgerliche Werte erfahren eine neue Wertigkeit

Auf der Suche nach einem Wertefundament unseres Handelns und Denkens ist man schnell beim klassischen Links-rechts-Schema. Und bei der Frage, ob konservative Werte in dieser Zeit noch adäquat sind. „Was man besitzen will, muss man sich erarbeiten“, sagt der Konservative. „Ehrgeiz ist die letzte Zuflucht

des Versagers“, singt die deutsche Gruppe „Deichkind“.

In den vergangenen Jahren der absoluten Stabilität und des Wohlstandes ist es unmodern geworden, erkennbar konservativ zu sein. Dementsprechend haben sich auch konservative Parteien „gefälliger“ positioniert, sind mehr in die Mitte gerückt. Meistens hatte das damit zu tun, dass sehr charismatische Persönlichkeiten an der Spitze der Partei mehr Gesicht geben konnten als die ideologische Basis – Angela Merkel oder Sebastian Kurz waren mehr oder weniger ihre Parteien, und sie wurden auch gewählt. Mit ihren Abgängen sind CDU wie ÖVP in ein Vakuum gestürzt.

Parallel zu dieser Entwicklung hat die Corona-Pandemie vielen Menschen vor Augen geführt, dass unser Lebensstil, die totale soziale Absicherung, der Vollkasko-Staat, sehr schnell entgleisen kann und dass die Politik in dieser globalen Krise eher Passagier denn Steuermann war.

Besonders junge Menschen rufen plötzlich nach mehr Selbstbestimmung und Eigenverantwortung. Und sie schauen sich um nach politischen Akteuren im demokratischen Spektrum, die dieses Lebensgefühl repräsentieren. Da reicht es nicht, dass die Grünen in Bayern jetzt plötzlich Dirndl und Lederhose tragen. Gefragt ist eine authentische Politik, die nicht an klassischen Parteiapparaten, Funktionen und Symbolen hängt, sondern das Leben der Menschen in der vollen Breite abbilden und mitgestalten kann. Sture Ideologie wie die Verstaatlichungsfantasien der Sozialdemokraten ist weit weg von den Menschen, viel zu kurzsichtig.

Der Konservativismus kann viele Antworten geben, wenn man ihn lässt. Jetzt bewahrheitet sich einmal mehr, dass man nur ausgeben kann, was man vorher verdient hat. Und dass man in christlich-sozialer Manier auf jene Menschen aufpassen muss, die unsere Hilfe brauchen. Dass diese Hilfe aber keine Hängematte sein darf. Dass es einen schlanken Staat braucht, der den Rahmen vorgibt, in dem wir uns individuell verwirklichen können. Es selbst schaffen, etwas aufzubauen, sich für Kinder entscheiden zu können. Nicht von der steuerpolitischen Lenkungspolitik der Vergangenheit in Bahnen gedrängt zu werden. Durchs Leben gefördert zu werden, während auf der anderen Seite die Steuerlast auf Arbeit uns jede Freiheit nimmt, eigene Lebensentscheidungen zu treffen. Genau jetzt braucht es konservative Kräfte im Parteispektrum, die klare Kante zeigen und fähig sind, visionär zu denken – in Deutschland wie in Österreich.

Ralf-Wolfgang Lothert ist Mitglied der Geschäftsleitung von JTI Austria und langjähriges CDU-Mitglied.

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