Teufelskreis der Verhandlungen

Teufelskreis der Verhandlungen
Das Zögern der EU am Westbalkan birgt geopolitische Gefahren

Europa hat ein schlechtes Gefühl, was den Westbalkan angeht. Das Territorium, auf dem Zivilisationen, Interessen und Ideen aufeinanderprallen, ist zugleich auch für diejenigen wichtig, die vom politischen Westen zur Bedrohung erklärt wurden.

Mazedonien hat seinen Namen geändert, und der französische Vorschlag zur Beilegung des Streits mit Bulgarien will auch in die Frage der Existenz der Sprache, Kultur und Verfassungsstellung der Bulgaren eingreifen. Dabei hegt Frankreich selbst nicht die Absicht, seinen zahlreichen aus den Maghreb-Ländern stammenden Bürgern dasselbe zu bieten.

Dem Kosovo wird die Visa-Liberalisierung weiterhin nicht gewährt, zudem wird der Territorialstreit mit Serbien nicht gelöst.

Montenegro hat die größten Fortschritte bei den Beitrittsverhandlungen gemacht, aber wie Albanien bekommt es kein grünes Licht für einen EU-Beitritt.

Auf der anderen Seite ist Serbien ein regionaler Rekordhalter, was Gegenforderungen gegenüber der EU sowie der Anzahl seiner Bürger, die sich westlicher Integrationen widersetzen, angeht.

Am kompliziertesten ist die Situation in Bosnien und Herzegowina. Wie sagte es doch der bosnische Serbenführer Milorad Dodik im Fernsehen: „Ich werde nicht einmal eine gemeinsame Wettervorhersage zulassen.“

Nun, nachdem schlussendlich doch ein Konsens für den EU-Beitritt erzielt wurde, folgen Forderungen seitens der EU, neue Gesetze, die als Bedingungen für einen Beitritt gelten, zu implementieren. Gleich 14 sind es an der Zahl.

Die Lösung wäre im Prinzip die Verabschiedung nur eines einzigen Gesetzes für alle sechs Länder des Westbalkans: Die Befugnisse der Europäischen Staatsanwaltschaft in den genannten Ländern anzuerkennen und in ihre eigenen Rechtsordnungen aufzunehmen.

Es ist billiger, schneller, zweckmäßiger und sicherer, 50 Staatsanwälte in die Region zu schicken und systemische Korruption aufzuklären.

Sich in einem Teufelskreis grenzenloser Verhandlungen zu drehen, verhilft nur dem politischen Osten, seinen eigenen Einfluss zu erhöhen. Auf dem Westbalkan hat Russland alle (ultra-)rechten Parteien unter seiner Kontrolle. Auch wenn in Bosnien und Herzegowina und Montenegro die Linksparteien mehr Rückhalt bei den Bürgern haben, liegt der Fokus auf der für Europa unvorstellbaren Dominanz, der „ethno-territorialen Souveränität“. Laut der von internationalen Kräften bei den Friedensverhandlungen aufgezwungenen Verfassung ist es in Bosnien-Herzegowina einer Partei mit 8,26 % erhaltener Stimmen möglich, alle Prozesse im Land zu blockieren. Gleichzeitig arbeiten die herrschenden Eliten in den Ländern der Westbalkan-Region ungehindert an der persönlichen Bereicherung. Eine Win-Win-Situation für sie und ihre politischen Sponsoren.

Alen Jazić ist freier Journalist in Bosnien und Herzegowina

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