Schützen wir uns vor X-tremisten!

Schützen wir uns vor X-tremisten!
Akteure wie Musk dürfen nicht über öffentlichen Diskus wachen. Ein Gastkommentar von Marian Adolf.

Zu Recht fürchten wir die Radikalisierung im Internet. Noch gefährlicher ist es, wenn sie Plattforminhaber betrifft.

Erstmals eröffnet die EU-Kommission ein Verfahren wegen „illegaler Inhalte“ auf Basis des Gesetzes über digitale Dienste, besser bekannt als Digital Services Act (DSA). Dass dies die Plattform X/Twitter betrifft, scheint angesichts der Übernahme durch Elon Musk durchaus passend: wieder einmal ist er Pionier.

Vor allem aber ist dieser Schritt gerechtfertigt. Seit der Übernahme von Twitter betreibt Musk systematisch die Abschaffung all jener zögerlich eingeführten Maßnahmen, die dort und anderswo im Social-Media-Universum Desinformation, Agitation, Propaganda und Hassrede eindämmen sollen.

Viele Jahre schon wird davor gewarnt, dass so viel diskursive Macht nicht in die Hände einiger weniger privater Unternehmen gehört: Information über öffentliche Belange – und die an sie anschließende gesellschaftliche und politische Debatte – sind die Nahrung einer Demokratie. Wer die ganze Zeit nur Mist zu sich nimmt, wird weder besonders gut leben noch besonders alt werden. Das ist es jedoch, was in unserer zunehmend digitalen Medienlandschaft seit geraumer Zeit passiert: Falschmeldungen, absichtliche Fehlinterpretationen, selektives Zitieren, Beschimpfungen und Bedrohungen dominieren einen beträchtlichen Teil des (sozial-)medialen Diskurses. Stets laut, aufgeregt, empört und von der eigenen Meinung hermetisch überzeugt! Es war hoch an der Zeit, darauf regulatorisch zu antworten und die Plattformen in die Pflicht zu nehmen.

Wie auch in anderen Bereichen des gesellschaftlichen Zusammenlebens, braucht es für die Kommunikation einer Gesellschaft Regeln. Wer im Klassenzimmer herumschreit, wer die Parlamentsdebatte durch ständige Zwischenrufe stört, wer im Geschäftsmeeting pöbelt, wird sanktioniert – oder zumindest stummgeschaltet.

Den schwer zu fassenden Begriff der Öffentlichkeit könnte man als die möglichst vernünftige Auseinandersetzung einer Gesellschaft mit sich selbst bezeichnen. Öffentlichkeit ist dabei nichts Dingliches. Sie erfolgt im Modus der Kommunikation – und das bedeutet in modernen Gesellschaften eben vor allem: in Form von Medien.

Da der demokratische Diskurs zwischen Interessen, Werten und Überzeugungen nichts ist, was wir mit den Händen angreifen können, ist es schwer, sie in ihrer Bedeutung wertzuschätzen und zu verteidigen. Insbesondere gegen die vielen kleinen Nadelstiche die, jeder für sich, nicht weiter auffallen. In Summe zeigt sich Öffentlichkeit jedoch geschwächt, geschunden, ramponiert. Ob Leute wie Elon Musk dies schlicht nicht verstehen, achselzuckend in Kauf nehmen oder gar absichtlich betreiben, ist am Ende egal: Wir dürfen die Öffentlichkeit solchen Akteuren schlicht nicht länger anvertrauen!

Marian Adolf ist Kommunikationswissenschaftler an der FH Wien der WKW

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