Schaffen wir das Alter ab!
Haben Sie einen Vorsatz für das neue Jahr gefasst? Mehr Sport, mit dem Rauchen aufhören, weniger Alkohol – und mehr Zeit. Zeit, das haben uns die Corona-Monate gezeigt, ist das knappste Gut.
Das liegt auch (auch) an unserem Verständnis vom älter werden. Dabei werden wir in Wirklichkeit immer jünger. „Downaging“ nennen Zukunftsforscher den Trend. Wir fühlen uns immer jünger, sind nicht nur körperlich länger gesund, sondern bleiben auch geistig länger vital. Auch wer moderne Medien und Technologien nutzt, fühlt sich oft jünger. Wissenschaftler haben herausgefunden, dass die Nutzung von Smartphones Senioren um acht Jahre jünger machen: 60-Jährige fühlen sich heute körperlich und geistig so fit wie 52-Jährige vor zehn Jahren. Die Gruppe der „Forever Youngster“, einer neuen Spezies von jungen Alten, ist auf dem Vormarsch. Zu dieser gehören immer mehr 60- bis 79-Jährige. Zwei Drittel davon sind Frauen, 80 Prozent haben Kinder und immer mehr sind berufstätig. Die Forever Youngster sind Ältere im Unruhezustand und aktiven Widerstand gegen die negativen Folgen des Ruhestands. Forscher haben herausgefunden, dass sich der kognitive Abbau, den Menschen zwischen 60 und 70 Jahren erfahren, durch die Verrentung verdoppelt. Interessanterweise gilt dies nicht für diejenigen, die früher in Rente gehen. Die Forscher vermuten den Grund darin, dass Frührentner häufig Hobbies haben, privat aktiv sind und deshalb auf die nächste Lebensspanne vorbereitet sind. Bei der großen Mehrheit dagegen führt der Ruhestand zu einer schnelleren geistigen Alterung und damit zu einem erheblichen Gesundheitsrisiko.
Was ist also zu tun?
Viel spricht für eine größere Flexibilität und gegen starre Altersgrenzen. Alt ist nicht gleich alt. Wir müssen die Geschichte des demografischen Wandels neu schreiben. In einer postdemografischen Gesellschaft spielt das Alter keine Rolle. Nicht mehr die Jugend, sondern die Reife einer Gesellschaft wird zum Motor von Fortschritt. Wir selbst entscheiden, ob und wie wir erfolgreich altern. Es geht um die Fähigkeit, mit Risiken aktiv umzugehen und sich im Laufe des Lebens bewusst zu verändern und anzupassen. Ironischerweise sind es die nun in die Jahre kommenden Babyboomer, die sich an der Jugend und ihren Attributen orientieren, um dem Alter zu entfliehen. Es waren die Babyboomer, die das Alter erst problematisiert und ihm mit Marketingbegriffen wie „Anti-Aging“ den Kampf angesagt haben.
Der Imperativ der Zukunft ist jedoch nicht „Anti-“, sondern „Pro-Aging“. Menschen, die über eine positive Selbstwahrnehmung über das eigene Altern verfügen, leben im Schnitt 7,5 Jahre länger als jene ohne ein positives Mindset.
Wer positiv denkt und lebt, sich engagiert, mit anderen verbunden ist, lebt länger und gesünder und selbstständig.
Für diese Lust am Weitergeben gibt es einen schönen Begriff: „Generativität“. Der Wunsch, unser Wissen und unsere Fähigkeiten an die Nachgeborenen weiterzugeben, ist uns angeboren. Diesen Wunsch haben wir alle. Nehmen wir uns die Zeit und machen den Wunsch zu einem gemeinsamen Vorsatz. Schaffen wir das Alter ab!
Daniel Dettling ist Zukunftsforscher und leitet das von ihm gegründete Institut für Zukunftspolitik
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