Russland. Europa. Wohin?
Schön war das nicht. Da reist der EU-Außenbeauftragte Borrell nach Moskau, um einen Dialog zu beginnen und dann endet alles in frostiger Atmosphäre. Die Gräben wurden tiefer, eine Brücke ist nicht in Sicht. Brückenbauer haben es nicht leicht.
Alle, die sagen, dass Russland eine europäische Kulturnation ist, zu Wissenschaft und Forschung positive Beiträge geleistet hat und uns kulturell nahe steht, werden derzeit auf die Probe gestellt.
Russland ist Mitglied des Europarates und bekennt sich zu europäischen Grundwerten, Menschenrechten, Freiheit und Demokratie. Dieses Bekenntnis passt mit der Realität oft nicht zusammen. Aber auch die EU hat Fehler im Umgang mit Russland gemacht.
Ich denke dabei an die Sanktionen, die beiden Seiten enormen Schaden zugefügt haben.
Ich denke an die Ablehnung der Partnerschaftsangebote von Seiten Präsident Putin zu Beginn seiner Amtszeit, die Europa ignoriert hat.
Oder an die Olympischen Spiele in Sotschi, einem Herzensprojekt von Putin, der durch die Abwesenheit der europäischen Staatsrepräsentanten bei der Eröffnung tief verletzt wurde.
Und ich denke an die Unsensibilität in der Ukrainekrise, wo statt Gesprächen zu suchen Beschuldigungen ausgetauscht wurden. Gibt es die Chance auf einen Neubeginn? Beide Seiten wollen ihn, wissen aber nicht recht, wie sie aus der gegenwärtigen Sackgasse herausfinden sollen.
Kreativität gefragt
Mit etwas Kreativität fänden sich neue Lösungen. Die Wirtschaft ist bereit, eine transkontinentale Freihandelszone von Lissabon bis Wladiwostok (unter Einschluss der Ukraine) zu machen. Wirtschaftliche Kooperation bringt Dialog. Auch wissenschaftlich könnte man großartig kooperieren.
Ansatzpunkte wären u. a. die Herausforderungen durch Klimakrise und Digitalisierung. Deutschland und Frankreich haben nach ihren historischen Auseinandersetzungen durch Jugendbegegnungen neues Verständnis in die wechselseitigen Beziehungen gebracht.
Warum sollte dies nicht mit Russland und Ukraine möglich sein? Das Europäische Jugendforum Neumarkt hat bewiesen, dass sich die Einbeziehung der Jugend in den Dialog lohnt. Warum könnte man nicht die schädlichen wechselseitigen Sanktionen schrittweise abbauen und damit Vertrauen schaffen? Warum nicht – wie von Emmanuel Macron vorgeschlagen – über die Einrichtung eines Sicherheitsrates für Europa diskutieren? Wenn der Europarat dies initiiert, wären Russland, die Ukraine, aber auch z. B. die Türkei oder Großbritanniens mit dabei – das würde Europa enorm stärken und seine Sicherheit massiv erhöhen.
Vielleicht könnte die Ukraine-Frage sicherheitspolitisch entschärft werden, indem diese eine Bündnisneutralität nach österreichischem Muster einginge? Wir brauchen einen Dialog auch an der Basis: in den Regionen. Gemeinsame Projekte, Begegnungen und Partnerschaften auf wirtschaftlicher, kultureller und künstlerischer Ebene finden zwischen Regionen und den dort handelnden Menschen statt.
Und der Faktor Mensch ist immer entscheidend!
Christoph Leitl ist Präsident der europäischen Wirtschaftskammer Eurochambres.
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