Rosenkranz: Ein absoluter und negativer Tabubruch

Walter Rosenkranz bei der konstituierenden Sitzung des Nationalrats vor der FPÖ-Fraktion
Walter Rosenkranz ist als Nationalratspräsident unerträglich. Ein Gastkommentar von Arno Tausch.

Walter Christian Rosenkranz, Jahrgang 1962, Doktor der Rechtswissenschaften, Ex-Vertragsbediensteter des Verteidigungsministeriums, langjähriger FPÖ-Nationalratsabgeordneter, ehem. Volksanwalt, ist nun neuer Nationalratspräsident – aber hat er die hohe Würde seines Amtes verdient? Mit seiner Wahl am Donnerstag, den 24. Oktober, haben die Abgeordneten einen beispiellosen Akt gesetzt, obwohl sie genau wussten, worauf sie sich da einlassen.

Seine Wahl ist ein absoluter und negativer Tabubruch in der Geschichte unserer Volksvertretung seit 1945. Rosenkranz ist bis heute Mitglied einer Jüdinnen und Juden die Mitgliedschaft verbietenden, deutschnationalen Burschenschaft, der Libertas, ganz im Stil der Antisemiten des 19. und 20. Jahrhunderts. Auf der Webseite der „Libertas“ prangt auf dem Vereinshaus nicht die österreichische, sondern die Fahne Deutschlands, so, als ob „Anschluss“-Gedanken noch immer erstrebenswert wären.

Rosenkranz: Ein absoluter und negativer Tabubruch

Arno Tausch

Ein sehr eindeutiges und nachvollziehbares Ereignis lässt den gesamten braunen Sumpf erahnen, der das politische Umfeld von Rosenkranz ist. Rosenkranz bezeichnete in einem Artikel im von Martin Graf herausgegebenen Sammelband „150 Jahre Burschenschaften in Österreich“ (2009) den NS-Blutrichter Johann Karl Stich (1888–1955) als „Leistungsträger“. Stich war bereits Juli 1919 Gründungsmitglied der Ortsgruppe Krems der Deutschen Nationalsozialistischen Arbeiterpartei. Nach dem „Anschluss“ wurde Stich SA-Standartenführer und Generalstaatsanwalt der NS-Justiz in Wien. Zu seinen Verbrechen gehörte u. a. die Erschießung von mehr als 40 politischen Häftlingen am 15. April 1945 in Stein an der Donau sowie seine Rolle als Anklagevertreter am 13. April 1945 gegen 17 österreichische Widerstandskämpfer, die allesamt hingerichtet wurden.

Rosenkranz sollte also eine zentrale Rolle bei der Stärkung des demokratischen Bewusstseins in Zeiten wachsender totalitärer Bedrohungen spielen? Und als Angehöriger einer Burschenschaft mit noch immer gültigem Arierparagrafen glaubhaft gegen Antisemitismus wirken? Rosenkranz sei noch ins Tagebuch geschrieben: Am 18. Juni 1948 wurde sein „Leistungsträger“ Stich von der jungen Republik am Landesgericht für Strafsachen Wien wegen seiner NS-Verbrechen rechtskräftig zu acht Jahren schwerem Kerker verurteilt.

Rosenkranz wird also für Österreich künftig u. a. in Mauthausen sprechen? Und lobt einen rechtskräftig verurteilten NS-Verbrecher als Leistungsträger? Die politischen Kräfte, die seine Wahl betrieben bzw. sie (insbesondere auf der Seite der ÖVP) durchwinkten, riskieren erneut ungeheuren Schaden an unserer internationalen Reputation. Das war jenen, die für Rosenkranz stimmten, offenbar egal, um sich die Option für eine künftige Neuauflage von Schwarz-Blau offen zu halten.
 

Arno Tausch ist ein österreichischer Politikwissenschafter

Kommentare