Reden Sie mit uns!

GEDENKEN IM EHEMALIGEN KZ MAUTHAUSEN
Auf der Suche nach dem verlorenen Konsens in der Gedenkpolitik. Ein Gastkommentar von Gerald Netzl.

1995 wurde der Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus gegründet. Er erbringt Leistungen an NS-Opfer, insbesondere an Personen, die „keine oder eine völlig unzureichende Leistung erhielten, die in besonderer Weise der Hilfe bedürfen oder bei denen eine Unterstützung aufgrund ihrer Lebenssituation gerechtfertigt erscheint.“ Weiters fördert der Nationalfonds eine Reihe von Projekten für Überlebende im sozialen und sozialmedizinischen Bereich sowie des Gedenkens und Erinnerns.

Oberstes Organ ist das aus 28 Personen bestehende Kuratorium. Den Vorsitz führt der Nationalratspräsident, seit 2017 ist das Wolfgang Sobotka. Und er macht das gut, weil überparteilich und um Konsens bemüht! Im Kuratorium sind u. a. Abgeordnete aller Parlamentsparteien, mehrere Bundesministerinnen und -minister, die Israelitische Kultusgemeinde und schließlich darf ich die aus drei Organisationen bestehende ARGE der NS-Opferverbände und Widerstandskämpfer/innen Österreichs vertreten.

Die Zeitzeugengeneration hat den Nationalsozialismus noch leibhaftig erlebt und durchlitten. Heute wird der Antifaschismus von jenen getragen, die an das, was falsch war, erinnern wollen und daran, wie der Faschismus zustande kam. Meine Aufgabe als Nachgeborener sehe ich darin, die Erfahrungen, die mir die Überlebenden der KZ vermittelt haben, in die gesellschaftliche Diskussion einzubringen und überall aufzustehen, wo Faschisten und Verharmloser auftreten.

Reden Sie  mit uns!

Gerald Netzl

In den bald 30 Jahren seiner Existenz wurde im Nationalfonds eine Sache besonders gepflegt: Die Suche und das Finden eines breiten Konsens. „Drüberfahren“ über andere kam – zum Glück – nicht vor. Dieser gute Weg wurde im Juni leider verlassen: Ohne mit den anderen Parlamentsparteien, geschweige denn mit den Vertretern der Opfer und deren Nachfahren zu sprechen, verschickten die Abgeordneten Eva Blimlinger (Grüne) und Martin Engelberg (ÖVP) einen Vorschlag für eine umfassende Novelle des Nationalfondsgesetzes. Weder entspricht das der erinnerungspolitischen Tradition des Nationalfonds noch dem notwendigen Respekt gegenüber den Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfern für Österreichs Freiheit.

Im Initiativantrag ist neuerdings von der Präventionsarbeit gegen Antisemitismus, Antiziganismus, Rassismus und Homophobie die Rede. Diese Beschränkung ist nicht nachvollziehbar. Der Nationalfonds soll primär den Opfern des Nationalsozialismus gewidmet sein, und nicht der „allgemeinen“ Präventionsarbeit gegen vier ausgewählte Diskriminierungsformen. Wir legen Protest dagegen ein, dass durch die Novelle des Gesetzes die lebensgeschichtlichen Zeugnisse von Opfern des Nationalsozialismus durch den Nationalfonds nicht mehr erforscht und dokumentiert werden dürfen.

Gerald Netzl vom Bund sozialistischer Freiheitskämpfer vertritt die ARGE der NS-Opferverbände und Widerstandskämpfer/innen

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