Pressefreiheit-Bilanz nicht schönreden

Pressefreiheit-Bilanz nicht schönreden
Replik auf einen Gastkommentar des VÖZ-Geschäftsführers zum „Reporter ohne Grenzen“-Ranking

Reporter ohne Grenzen freut sich über die breite Debatte zum schlechten Abschneiden Österreichs beim letzten Pressefreiheitsindex. Dass Gerald Grünberger, Geschäftsführer des Zeitungsverbandes VÖZ, in einem Gastkommentar hier zuletzt zentrale Punkte für den Ranking-Absturz nicht nannte – mangelhafte Presseförderung, drohende Einstellung der Wiener Zeitung, publik gewordene Regierungs-Sideletter, die den Politikeinfluss auf den ORF offenkundig machen, oder der Verdacht des Missbrauchs von öffentlichem Geld für Inserate und Umfragen, der schließlich zum Rücktritt von Kanzler Kurz geführt hat – war hoffentlich nur der Platzknappheit eines Gastkommentars geschuldet.

Wichtiger waren Grünberger jedenfalls Hinweise auf eine angeblich mangelhafte und intransparente Methodik des Index. Der Vorwurf, der Fragebogen wäre nicht transparent, ist falsch. Er war und ist auf unserer Homepage verlinkt. Wenn sich Grünberger eine größere Zahl von Fachleuten wünscht, die den Erhebungsbogen ausfüllen, argumentiert er gegen sein wissenschaftliches Wissen: Denn es kommt stärker darauf an, möglichst viele qualifizierte Personen dafür auszuwählen.

Er regt an, die Namen zu nennen, weil ihnen in Österreich ja keine Gefahr drohe. Ab welchem Index-Rang sollen sie anonym und damit geschützt bleiben? Wir bleiben lieber auf der sicheren Seite für unsere Evaluator*innen und hoffen, dass Reporter ohne Grenzen Fachkundigkeit zugebilligt wird. Wir haben darauf hingewiesen, dass das Ranking nun präziser ist, ihm ein umfassenderes Pressefreiheitsverständnis zugrunde liegt, und der Komplexität der Freiheit und Unfreiheit von journalistischen Medien durch inzwischen fünf Säulen Rechnung trägt.

Damit wird die österreichische Situation keinesfalls „schlechtgeredet“. Vielmehr können wir jetzt genauer die Gründe benennen, warum im vielen Bereichen dringend Handlungsbedarf besteht. Für einige konstatiert das auch der Generalsekretär des Zeitungsverbandes. Anderes fordern wir und andere Wissenschafter*innen sowie NGOs, die Journalistengewerkschaft, der Österreichische Journalist*innenclub und Oppositionsparteien.

Dass der VÖZ-Geschäftsführer sich Seite an Seite mit der Medienministerin in der Kritik am Ranking wiederfindet, hat natürlich nichts mit „dem Wechseln politischen Kleingelds“ zu tun, das er der Führung von Reporter ohne Grenzen unterstellt.

Es hat eher mit viel Geld zu tun, das die Medienministerin in Aussicht stellt. Das Ausdealen von neuen Kriterien für Presseförderung und für neue Regeln für Regierungsinserate findet hinter verschlossenen Türen statt. Das ist demokratiepolitischer Substandard.

Kritik daran seitens des VÖZ wäre wünschenswert gewesen. Wenn sich die Eindrücke verdichten, dass die Kurz geführten Regierungen sich besonders bemüht haben, journalistische Medien mitzusteuern, hätte der VÖZ der erste sein sollen, der dagegen vehement auftritt.

Mit Unterwürfigkeit gegenüber den Regierenden auf mehr finanzielle Unterstützung zu hoffen, kollidiert mit Vertrauensverlust seitens der kritischen Mediennutzer*innen.

Fritz Hausjell ist stv. Vorstand am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien.

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